Ein Freund machte mich auf diese Gegenrede zu dem Video „Look Up!“ aufmerksam, das die sozialen Netzwerke verdammt, über die es sich gerade massenhaft verbreitet. Haha…
Die Gegenrede ist nicht unbedingt brillant geschrieben, aber da „Look Up!“ als Gedicht auch eher mittelmäßig ist, treffen sie sich auf Augenhöhe. Und die Meinung der Autorin teile ich. Auch ich dachte beim Ansehen von „Look Up!“: „Was für ein pathetischer Blödsinn.“ Ja, klar, man kann sich die Welt finster reden… Aber mir fiel spontan dieses bezaubernde Paar aus meinem Freundeskreis ein, das sich im Internet getroffen hat und das gerade Eltern einer mindestens ebenso bezaubernden Tochter geworden ist. Meine beste Freundin, die ich ohne ein Internetforum nie kennengelernt hätte. Meine Kinder, die auf Spielplätze gegangen sind, Sport treiben, lesen, echte Freunde in der echten Welt haben – und die eben auch elektronisches Spielzeug nutzen, sich mit ihren echten Freunden über WhatsApp verabreden, Trainingszeiten den Newsgroups ihrer Vereine entnehmen und Kritiken über ihre Bücher in eigene Blogs schreiben. Klar gibt es vereinsamte Gestalten im Netz – aber die gibt es überall, look up! Smart phones* and dumb people? I think not.
*btw: Ich besitze kein Smartphone. 😉
Diese ‚Oh mein Gott, das Internet vereinsamt die Menschheit!‘ – Dingsis irritieren mich immer hochgradig, weil sie sich so überhaupt gar nicht mit meiner Lebenserfahrung decken.
Ich war ein exzentrischer Teenager in einer kleinen Landgemeinde – ohne Internetforen hätt ich nicht die geringste Chance gehabt, Leute zu finden, mit denen ich mich unterhalten hätte können. Ich hätte auf Dirk verzichten müssen, auf Mirko, auf Charis, auf einen Berg von anderen Bekanntschaften. Ich hätte vor allem keinen Michael (also, einen schon, aber zwei sind meine absolute Mindestquote zum Glücklichsein).
Und heute? Heute ist es viel leichter, mit Leuten anzuknüpfen, die man irgendwann auf einer Party trifft uns sonst wieder aus den Augen verliert – so plaudert man halt einfach am nächsten Tag auf Facebook weiter. Ich täte ich mir wesentlich schwerer, Kontakt mit denen von meinen Freunden zu halten, ich nicht täglich sehe – für einen telefonischen Rundruf jeden zweiten Abend hab ich keine Zeit, genau so wenig wie für eine Rundreise quer durch Österreich und Deutschland. Für einen Blogartikel, in dem ich ein wenig mit meinen Leuten plaudere und sie zurückplaudern? Jederzeit.
LikeLike
Und wenn Skype unter Ubuntu funktionieren würde, hätten wir noch ein Argument. 😉
LikeLike
Jupp, da haperts momentan ein bisserl. Kommt auch noch.
LikeLike
deinen nachsatz mochte ich am meisten!
ich mochte das video, aber hier gilt (wie für alles vom alkohol bis zur politischen überzeugung): die maßhaltung macht es aus. ich brauche das video nicht, um die welt ohne smartphone zu sehen. auch wenn eine erinnerung daran nie schaden kann und ich etwas mit mir hadern musste, ob „paint a picture“ und „schreib ein buch am bösen, bösen computer“ gleichwertig lebens- und lobenswert sind 😀 ich wünschte, ich käme mit dem sanften ticketitackpling einer schreibmaschine klar – aber das tue ich nicht.
die zeit bleibt nicht stehen, auch die moderne nicht, aber es ist immer gut, wenn man selber die kontrolle behält. und… natürlich verbreitet sich das anti-social-network-video übers social network: da gehört es ja auch hin, falls es irgendwas bewirken soll – so absurd es auch ist.
LikeLike
Erinnerung verklärt, vor allem. Ich bin ja alt und habe deshalb die Zeit vor den ersten PC noch erlebt. Man nannte sie 80er… 😀 Und ich erinnere mich zum Beispiel an öde, verregnete morgendliche Fahrten im Bus, wo alle ebenso leer wie ich aus dem Fenster starrten. Die Leute mit den Smartphones interagieren ja zumindest mit irgendwem… Wobei man den Wert des leeren Starrens keinesfalls unterschätzen sollte.
Es gibt übrigens eine Menge Schreibprogramme, die Schreibmaschinengeräusche imitieren. Ich nutze FocusWriter, den ich so eingestellt habe, dass er aussieht wie ein Bildschirm aus den frühen 90ern (grün auf grau), klingt wie eine Schreibmaschine und alles brav in mein Textprogramm (LibreOffice) speichert. Läuft auch unter Windows und Apple. 😉
http://gottcode.org/focuswriter/
LikeLike
das leere starren ist etwas, was ich mir wieder antrainiere. immer mit irgendwem oder irgendwas interagieren – das verspeist lebenszeit ganz unbemerkt. und man verlernt langeweile – die fähigkeit, sich ganz einfach mal auszuhalten, ohne ablenkung. ich kann’s kaum noch, zumindest fast nie ohne musik.
LikeLike
Musik ja. Oder Bewegung. Wenn ich schwimme oder laufe bin ich völlig bei mir. Ich weiß nicht, wieviele Angebote des gemeinsam Laufens oder Schwimmens ich schon abgelehnt habe – immer mit der Begründung, ich sei unsozial und Training mit mir völlig langweilig.
LikeLike
hahaha, ja, da will ich aber auch meine ruhe und keine soziale interaktion.
LikeLike