schreckenberglebt: Türchen Nr. 14 – Alle lieben Verbote…

… deshalb sind Verbote die einzigen konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz, über die dieses Land spricht. Nicht falsch verstehen, bitte: Verbote sind notwendig, leider. So lange es Menschen gibt, die sehenden Auges Gruppen wie „Fridays for Hubraum“ gründen, wäre es sehr dumm von unseren Regierenden, sich auf gesunden Menschenverstand und Verantwortungsbewusstsein zu verlassen.

Nur – es gibt Menschen mit Ängsten und Sorgen, die begründet sind, und die man nicht einfach weg verbieten kann. Da müssten konstruktive Maßnahmen her. Dem Problem zum Beispiel, dass der ÖPNV grotesk teuer (ich bin oft genug in Wien, einer verdammt teuren Stadt, deren gut funktionierenden „Öffis“ aber für einen lächerlich kleinen Preis zu nutzen sind) und im außerhalb der Innenstädte fast gar nicht vorhanden ist, kommt man nicht mit Verboten bei. Wenn ich höre, das Freunde meiner Kinder, die in Witzhelden oder Burscheid wohnen (also nicht in den Tälern der Eifel oder den Wäldern des Oberbergischen, sondern immer noch ziemlich urban) mit etwas Pech ebenso lange für den Weg zur Schule brauchen, wie, sagen wir, ein Flugzeug von Köln nach Berlin, dann ist das erbärmlich. Wenn ich erlebe, dass Bahnfahren inzwischen ein Glücksspiel ist, weil Abfahrtszeiten, Gleisangaben, Reisedauer und selbst die Frage, ob der verdammte Zug überhaupt fährt allesamt völlig unberechenbar sind, dann kann ich mir gut vorstellen, dass viele Leute, die Inlandsflüge nutzen, gerne darauf verzichten würden, wenn eine Bahnreise berechenbar wäre. Hier wären ganz massive Investitionen, intelligente Konzepte und innovative Ideen (sofort! nicht irgendwann!) nötig, und das bedeutet: Wir bräuchten einen verdammten Plan und milliardenschwere Investitionen. Das Geld ist nicht das Problem, es wäre da, wenn wir anderswo Subventionen streichen würden, intelligentere Steuern hätten und in Zeiten von Minuszinsen Kredite aufnehmen würden. Das Ziel ist ganz einfach: ÖPNV muss attraktiver sein als motorisierter Individualverkehr. Das erreicht man aber nicht, indem man den Individualverkehr ein ganz klein wenig teurer macht und den ÖPNV verrotten lässt.

Und dann ist da die Sorge um die Arbeitsplätze, die angeblich dafür sorgt, dass unsere Automobilindustrie weiter riesige Verbrennungsmonster bauen und Braunkohle Energieträger bleiben muss. Es ist nur leider so: Wir schützen veraltete Technologien zu Tode. Die Vebrennung fossiler Energien hat keine Zukunft. Der Klimawandel ist fakt, wir werden ihn immer stärker spüren, immer mehr Menschen werden das, weltweit, einsehen, die Klimawandelleugner werden eine immer kleinere Gruppe werden – sowohl als Wähler als auch (und das ist im globalisierten Kapitalismus viel wichtiger) als Konsumenten. Um mal und die Holde Herrin und mich (Ehepaar, weiß, Europäer, Mitte / Ende 40) als Beispiel zu nennen: Wenn sich am ÖPNV nicht schnell etwas ändert, werden wir noch mindestens einen PKW brauchen, wenn der jetzige nicht mehr ist. Je nach Finanzlage wird das ein Hybrid- oder Elektrofahrzeug sein, und SELBSTVERSTÄNDLICH wird es importiert sein. Denn die deutsche Autoindustrie wird ja so kaputtgepäppelt, dass andere in der massentaugliche Hybridtechnologie ein Jahrzehnt Vorsprung haben. Von Elektrofahrzeugen gar nicht zu reden. Wenn es so weiter geht wird Deutschland sich von der Automobilexport zur -importnation entwickeln – mit allen Folgen für die heiligen Arbeitsplätze. Im Bereich erneuerbare Energien ist es ja schon so weit. Die heimische Solarindustrie ist kaputt, jetzt folgt die Windkraft. NATÜRLICH wird man weltweit nach und nach zu erneuerbaren Energien übergehen, wenn auch wahrscheinlich zu spät. Aber die Technologie dafür wird nicht aus Deutschland kommen, wenn wir – auch hier – nicht massiv Geld in Form von Subventionen und Investitionen umverteilen. Doch unsere hasenfüßige Politik verwandelt unser Land, aus Angst vor Lobbys, AfD und Wutbürgern, in ein Museum für einstige Industrien.

Ja, Verbote sind nötig. Aber sie bringen alleine nichts als Wut und Enttäuschung (bei denen, die sich davon eine Veränderung erhofft haben). Verbote für den Klimaschutz ergeben dann Sinn, wenn man einen Plan dahinter erkennt, und den Mut, wirklich etwas zu verändern.

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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