Der Unterschied zwischen guten und schlechten Lehrern zeigt sich an meinem Beispiel plakativ an zwei literarischen Werken: Macbeth und Der Untertan. Während wohlmeinende Zeitgenossen mich nachträglich darauf aufmerksam gemacht haben, was für ein großes Werk Heinrich Mann Roman ist – weil mein Lehrer in in seinem Unterricht zu einem grauenvollen Brei aus Belanglosigkeit und Langeweile zerkocht hat – habe ich Macbeth vom ersten Moment an geliebt. Und mein Englischlehrer hat sehr viel dazu getan mir diese Liebe nicht auszutreiben. Entsprechend gespannt war ich natürlich auf die Neuverfilmung dieses geliebten Werkes. Soeben habe ich sie mir auf DVD angesehen, gemeinsam mit Sarah, die dazu kurz gebloggt hat. Und ich liebe das Scottish Play immer noch. Aber nicht dieser Verfilmung wegen.
Drehbuch: Jacob Koskoff, Michael Lesslie, Tod Louiso nach William Shakespeare
Regie: Justin Kurzel
Ich will nicht viel zum Inhalt sagen, den setze ich mal als bekannt oder leicht herauszufinden voraus. Also, was haben Koskoff, Lesslie, Louiso und Kurzel aus Shakespeares großartigem Drama gemacht? Kurz gesagt: Sie haben es eingedampft und abgeflacht.
Hier ist Macbeth als ein Typ eingeführt, der vom Tod seines Sohnes und dem blutigen Schlachtgeschehen, das sein Job ist, arg traumatisiert ist. Deshalb hört er auf die Einflüsterungen der Weird Sisters (und seiner Frau), verfällt dann geradezu blitzartig dem Wahnsinn und am Ende stirbt er. Ja… kann man so machen. Muss man aber nicht.
Fairerweise sei gesagt: Macbeth ist, für Shakespeares Verhältnisse, ein kurzes Stück. Wirklich kurz. Aber deshalb ist es nicht flach, es trieft von Leben, und wo die Entwicklung schnell geht, da hat der Zuschauer üblicherweise keine Probleme, das Ungezeigte mit der eigenen Phantasie aufzufüllen. Hier aber ist jedes Leben aus den Figuren herausgepresst, besonders Macbeth entwickelt sich sprunghaft und willkürlich. Da ist ewig Zeit für Kamerafahrten und Landschaftsaufnahmen – und sehr wenig für die Figuren. Eine meiner Lieblingsszenen, weil unvergleichlich tragisch geschrieben, ist die, in der Macduff von der Ermordung seiner Familie erfährt. Hier aber… Sean Harris, der Macduff spielt, darf ein wenig brüllen (die Gleichung „große Gefühlswallung = Brüllen“ geht in diesem Film meist auf) und dann hat es sich schon mit der Trauer. Etwas weniger Zeit für Effekte wie das Martial-Arts-Ballet im letzen Kampf zwischen Macbeth und Macduff (inklusive Schulterwurf), und ein wenig mehr Zeit für Szenen wie diese und der Film wäre sehr viel weniger belanglos.
Eine Ausnahme allerdings gibt es: Lady Macbeth (Marion Cotillard) ist eine starke Figur, lebendig, verzweifelt, mit spürbaren und nachvollziehbaren Emotionen vom für sie tragischen Beginn (auch eine gute Idee, das Stück mit der Beisetzung des kleinen Macbeth Junior beginnen zu lassen) über ihre geborgte Stärke bis zum Bruch beim Mord an den Macduffs (ebenfalls sehr gut, dass sie dort dabei ist) und der folgenden Selbstauslöschung. Dieselbe Kraft für Macbeth, Macduff und den völlig blassgeschriebenen und -inszenierten Malcom, und das hätte ein wirklich guter Film werden können.
Oh – und die Weird Sisters sind wirklich hübsch weird. Aber das rettet es auch nicht.
Fazit: Kunstvolle Bilder und brauchbare Schauspieler reichen nicht – es kommt, immer, immer, immer auf die Geschichte an. Und die ist hier – von der einen Ausnahme Lady Macbeth abgesehen – recht misslungen gekürzt und eingedampft. Kein wirklich schlechter Film, dazu ist die Vorlage einfach zu gut. Aber auch nicht gut. Mittelmäßig. Und das ist, bei dem Ausgangsmaterial, schade.