schreckenbergschaut: FNHF Teil 6 – Cloverfield

Cloverfield

(USA 2008)

Drehbuch: Drew Goddard

Regie: Matt Reeves

Abschließende Marketingbesprechung zu einem neuen Filmprojekt der Paramount Pictures. Es ist Freitagnachmittag, alle wollen nach Hause um ihren Freitagsnachmittagshorrorfilm zu sehen. Es gibt nur noch einen Punkt zu klären:

Marketingmensch 1: „Zusammenfassend: Wir werden den Film also vor allem über das Internet bewerben – und zwar, indem wir ein großes Geheimnis um ihn machen. Wir platzieren mehrere geheime Homepages mit Andeutungen, die die Fans dann finden können, richten Profile für die Hauptpersonen bei Myspace ein…“

Studiohierarch: „Stimmt von diesem Myspace habe ich gehört. Das ist die Zukunft!“

Marketingmensch 1: „Danke. Ja, wir werden die Webgemeinde also richtig heiß machen. Die KÖNNEN dann gar nicht anders, als in den Film zu rennen, wenn er endlich rauskommt.“

Assistentin des Studiohierarchen: „Das einzige, was wir jetzt noch brauchen, ist ein guter Titel.“

Marketingmensch 2: „Wir dachten an ‚HORRORALIEN ZERTRAMPELT NEW YORK!“

Studiohierarch: „Etwas sperrig…“

Marketingmensch 1: „Aliens greifen an!“

Assistentin des Studiohierarchen: „Nee, viel zu 50s.“

Marketingmensch 2: „Einfach nur: ‚Aliens‘?“

Assistentin des Studiohierarchen: „Gab’s schon.“

Praktikant der Marketingagentur der den Beamer bedienen darf: „Wie wäre es denn mit ‚Kleefeld‘?“

Studiohierarch: (sinnierend) „Kleefeld…“

Marketingmenschen: (gemeinsam, sinnierend) „Kleefeld…“

Assistentin des Studiohierarchen: (sinnierend) „Kleefeld…“

Studiohierarch: „Da war doch mal was mit Kleefeld und New York… als ich noch jung war…“

Marketingmensch 1: „Ich muss an Hoppelhäschen denken. Süße, weiße Hoppelhäschen…“

Assistentin des Studiohierarchen: „Ich mag grün…“

Marketingmensch 2: „Und wir wollten doch vor allem verwirren…“

Studiohierarch: „Okay, wir machen es so. Verwirrung und Kleefeld. Schönes Wochenende.“

Inhalt

Der Film gibt sich als der Inhalt einer aufgefundenen Kamera (und insofern ähnelt er „The Blair Witch Project“ der allerdings ansonsten ein bis zwei Ligen höher spielt) und beginnt mit einer Art Prolog, von dem sich zum Ende herausstellt, dass er eigentlich mehr ist als das – aber ich mag nicht spoilern. In diesem Prolog lernen wir die beiden New Yorker Rob (Michael Stahl-David) und Beth (Odette Yustman) kennen, die wohl die letzte Nacht miteinander im Bett verbracht haben und nun einen Ausflug nach Coney Island planen.

Sprung zur nächsten Sequenz auf der Kamera (offenbar hat jemand den Coney-Island-Tag überspielt) – Robs Bruder Jason (Mike Vogel) und dessen Freundin Lilly (Jessica Lucas) schmeißen eine Abschiedsparty für Rob, den es beruflich nach Japan verschlägt. Freund Hud (T. J. Miller) filmt die Party und sammelt bei den Gästen Abschiedsgrüße für Rob, denn der Film soll ihn als Andenken nach Japan begleiten. Allerdings trübt Huds Hang zum Investigativen die Stimmung ein wenig: Er bekommt mit, dass Rob und Beth miteinander geschlafen haben und doch nicht nur so platonisch befreundet sind oder waren, wie sie es den Rest der Welt gerne glauben lassen. Allerdings gab es danach wohl ein paar Missverständnisse – es kommt zum Streit zwischen den unglücklich Verliebten und Beth verlässt die Party. Kurz darauf kommt es zu einem vermeintlichen Erdbeben und einem Stromausfall und dann… dürfen wir verfolgen, was Rob, Beth, Jason, Lilly, Hud und Huds neue Flamme Marlena (Lizzy Caplan) in dieser langen Nacht durchleben und durchleiden müssen.

Urteil

Mann, was hat der Film auf die Fresse bekommen. Denn nach dem riesigen Internet-Hype (die Marketingstrategie ging voll auf) war die Ernüchterung doch sehr groß. Nein, Cloverfield hat weder die Geschichte des Films neu geschrieben noch auch nur einen Teil Horrorgenres neu definiert (was „Blair Witch“ sehr wohl gelang – aber die Filme haben eben auch nicht mehr gemein als die vorgebliche Authentizität und die Erzählperspektive). Manche Kritiker haben Matt Reeves sogar vorgeworfen, dass er den Film in New York spielen lässt, von wegen 9/11 und so. Ach so. Darf New York jetzt in Filmen nicht mehr zerstört werden? Da finde ich manchen echten 9/11-Film sehr viel abgeschmackter, aber das nur am Rande.

Ja, wie gesagt, Cloverfield ist nicht das bahnbrechende Meisterwerk das viele gerne gesehen hätten. Tut mir ja auch leid, aber andererseits – selbst Schuld, wer auf so eine Marketingstrategie hereinfällt?

Was ist Cloverfield aber tatsächlich? Ein verdammt unterhaltsam gemachter Monsterfilm. Und um es gleich zu sagen: Wenn ein Riesenmonster New York auseinandernimmt, dann bin ich auch bereit, die eine oder andere logische Lücke in Kauf zu nehmen. Es geht einfach nicht ohne. Wenn man sich auf diesen Rahmen einlässt, und „Cloverfield“ zum Beispiel mit dem anderen großen Riesenmonster-nimmt-New-York-auseinander-Film vergleicht – Roland Emmerichs „Godzilla“ von 1998 – dann muss ich ehrlich sagen: „Cloverfield“ gewinnt auf ganzer Linie. Weniger unlogisch, weniger doof, weniger um Comic Relief bemüht und insgesamt viel spannender. Das ergibt sich aus der Perspektive die immer bei dieser einen kleinen Menschengruppe bleibt und immer aus der Sicht dessen erzählt, der gerade die Kamera hält. So lebt und leidet man sehr direkt mit den Hauptfiguren und vergisst, wie hanebüchen die Geschichte, die sich um sie herum abspielt, wirklich ist. Für die Dauer des Films habe ich sie geglaubt. Und mehr erwarte ich nicht von einem FNHF.

Und das Ende ist dann sogar noch einmal überraschend. Unbedingt bis ganz zum Schluß ansehen. 😉

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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2 Antworten zu schreckenbergschaut: FNHF Teil 6 – Cloverfield

  1. marcusjohanus schreibt:

    Endlich mal jemand, der Cloverfield auch zu schätzen weiß. Wie du bereits schreibst: kein Meisterwerk, aber absolut unterhaltsam und sehenswert, vor allem wegen der aperspektive, die dem Thema neue Aspekte abringt.

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    • Mountfright schreibt:

      Ja, wie auch schon gesagt: Ich habe mich bei „Cloverfield“ gut unterhalten gefühlt. Wer sich aufgrund der Werbung in einen Film setzt und erwartet, jetzt die Geburtsstunde eines neuen Mediums zu erleben, sollte sich immer die Weisheit vor Augen halten, die für alle Filme, Bücher etc. gilt: Es kommt auf die Geschichte an. Und die ist bei Cloverfield sicher auch nicht nobelpreiswürdig – aber besser als die meisten Monsterfilmgeschichten aus den letzten 30 Jahren (Gremlins ausgenommen 😀 ). Durch die Perspektive schön reduziert und nah an den Figuren. Der Film ist besser als sein Ruf.

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