That is not dead which can eternal lie
yet with strange aeons even death may die.
Sagt H. P. Lovecraft und das gilt auch für meinen Blog: Da bin ich wieder. 😀
Derzeit habe ich leider nicht viel Zeit zu bloggen, weil ich – und darüber gibt es nichts zu jammern – mit dem beschäftigt bin, was Schriftsteller tun sollten: ich schreibe! Ich habe gerade eine Kurzgeschichte fertig geschrieben, die ich kommenden Mittwoch auf einer Lesung vorstellen werde. Zwei Novellen habe ich noch nicht einmal angefangen, doch schon dräut die Deadline für eine Anthologie. Und dann ist da natürlich mein kommender Roman, dessen Veröffentlichung im September / Oktober ich beinahe mit mehr Freude und banger Erwartung entgegen sehe, als seinerzeit meinem Erstling. Ich liebe diese Geschichte und ihre Figuren fast zu sehr.
Und um diesen Roman soll es heute gehen – weniger um den Inhalt, als um den Schaffensprozess. Denn den Inhalt lest Ihr schon noch früh genug 😉 – aber ich habe meine Vorstellungskraft gerade mal wieder mit einer Kreativtechnik angefeuert, die ich sehr gerne aber viel zu selten nutze, weil sie vergleichsweise aufwändig ist. Aufwändiger jedenfalls, als ins Schwimmbad zu gehen und zwei bis vier Kilometer zu schwimmen, oder mich ins Auto zu setzen und mit dröhnender Musik ein oder zwei Stunden über Land zu fahren. Das mache ich ganz gerne, wenn ich ein paar Ideen brauche. Diesmal aber brauchte ich mehr. Und das kam so:
Ich hatte das Manuskript für besagten Roman (Arbeitstitel „Terra Incognita“, wird veröffentlicht als „Der Wandernde Krieg: Sergej“) beim Verlag abgeliefert – eine recht komplexe Geschichte mit drei Haupt- und zwei Nebenhandlungssträngen. Ein wichtiger Handlungsort ist das fiktive Städtchen „Langenrath“ und darin der Stadtteil „Neurath“. In Neurath und mit den Neurathern gehen einige Veränderungen vor, die ich im Laufe der Handlung andeute, meist indirekt, reflektiert durch eine der Hauptfiguren. Diese Veränderungen in Langenrath und Neurath, so schlug der Lektor vor, solle ich ausbauen: Hier und da ein Zusatzkapitel, das streiflichtartig erhellt, was meine Figur in ihren Tagebüchern sonst nur andeutet.
Mir gefällt die Idee, und Figuren für diese kleinen Einschubpassagen hatte ich schnell gefunden – es sind ja genug da. 😀 Aber mir fehlte noch eine genaue Vorstellung davon, wie sich das, was in Neurath passiert im alltäglichen Leben auswirkt, ich muss quasi die Geschichte eines Stadtteils über zwei Jahre entwerfen – und das nur, um ein paar kleine Streiflicher zu schreiben. Ich brauchte eine Hintergrund, ohne zu spezifisch zu werden. Also griff ich zu meinen Tarotkarten und zum I Ging.
Ich weiß – heute denken viele, wenn sie „Tarot“ oder „Kartenlegen“ hören, an abgelebte Frauen die im Fernsehen behaupten, Kontakt zu Engeln zu haben und Menschen, die aus mir nicht erklärlichen Gründen bei ihnen anrufen, potentiell in den Selbstmord faseln. Und wir alle wissen: Wer „Die Liebenden“ zieht muss mit James Bond schlafen, ob es dem örtlichen Voodoo-Priester nun passt oder nicht.
Darum geht es selbstverständlich nicht. Es mag Menschen geben, die glauben, dass „die Karten die Zukunft kennen“ – ich persönlich glaube das nicht. Was ich aber glaube ist, dass Tarot ein sehr guter Weg ist, mit dem eigenen Unterbewusstsein in Kontakt zu kommen und sich von dort Antworten und Inspiration zu holen. Aus diesem Grunde nutze ich auch die Motive von Lady Frieda Harris, auch gerne als Crowley-Tarot bezeichnet. Sie sind, von den mir bekannten Decks, am wenigsten eindeutig und beschäftigen die Phantasie am meisten. Zumindest meine Phantasie. 😉
Das „I Ging“ gilt als seriöser, warum auch immer. Ich glaube, dass die drei 20 Pence Stücke, die ich werfe, die Zukunft genausowenig kennen wie die 22 großen Arkana. Die 20p nehme ich, weil sie so schön sechseckig sind und weil mir die Rose gefällt und mal ehrlich: Man kann über Pfund und Euro ja viel diskutieren, aber ÄSTHETISCHER sind die englischen Münzen auf jeden Fall. Früher hatte ich sogar mal drei alte chinesische Münzen, blöderweise waren die aber nur voller chinesischer Schriftzeichen, und ich wusste nicht, welche Seite Kopf und welche Zahl ist. 😀 Wie das Tarot, so eignen sich auch die Hexagramme des I Ging sehr gut, das eigene Unterbewusste zu erforschen – wenn man davon ausgeht, dass dieses in der Lage ist, sowohl den Münzwurf als auch das Mischen und ziehen der Karten unbemerkt zu beeinflussen. Es spricht einiges dafür, dass das so ist, und ich habe mit dieser Annahme bisher gute Erfahrungen gemacht.
Wie genau man die Karten legt oder das I Ging benutzt will ich jetzt hier nicht ausbreiten, wer sich dafür interessiert findet eine Menge Literatur. Zumindest für’s I Ging braucht man die, mit Tarot kann man notfalls auch alleine über Assoziation arbeiten. Ich würde aber jedem raten, sich ein wenig in das Thema einzulesen.
Das „I Ging“ – das Buch der Wandlungen“ benutze ich für meine Geschichten dem Namen entsprechend: Es soll mir Handlungsverläufe, grundlegende Entwicklungen vorschlagen. Phillip K. Dick hat bekanntlich auf diese Art seinen Roman „The Man in the High Castle“ entworfen, und das ist ein verdammt guter Roman – ich befinde mich also in bester Gesellschaft.
Ich werde jetzt hier nicht lange erzählen, welche Entwicklungen ich für die einzelnen Passagen meines Buches und für Neurath geworfen habe, nur soviel: Es passt sehr gut. Es hat mir noch einmal klar gemacht, wie die Situation sich den Dörflern darstellt, nachdem diese eine, sehr entscheidende Sache passiert ist. Wie beherrschend eine bestimmte Figur ist und wie sehr sie – bei all den vielen Dingen die geschehen – den Ort im Griff hat. Denn ich habe, und das ist ungewöhnlich, nur statische Hexagramme geworfen, keine Wandlung. Neurath ist gewissermaßen arretiert, gekettet an diese eine Figur, und es entwickelt sich nur noch mit ihr und durch sie. Spreche ich in Rätseln? Nun – ich will nicht spoilern. Aber ihr werdet es erkennen, wenn Ihr das Buch lest. Und ich hoffe, die Streiflichter, die ich schreiben werde, werden das erhallen.
Das Tarot funktioniert etwas anders: Ich lege ein klassisches Kreuz, Fragekarte in der Mitte, Erläuterung zur Frage im Süden, Vergangenheit im Westen, Gegenwart im Norden, künftige Entwicklung im Osten. Dazu kämen, wenn es um eine Selbsterforschung ginge, noch ein bis drei „Orakelkarten“, aber die brauche ich hierfür nicht. Was ich hier wissen möchte ist: Wie verhält es sich mit der zentralen Entwicklung, nach der ich frage (Fragekarte), welche Bedeutung hat sie für die Geschichte/den Handlungsstrang (Erläuterung), welche Entwicklung in der Vergangenheit der Geschichte (Vergangenheit) hat zu der untersuchten Situation (Gegenwart) geführt und wie wird sie sich weiter entwickeln (Zukunft)? Dabei halte ich mich nicht allzusehr an den Namen der Karte, das sollte man sowieso nicht tun, und es würde mich als Geschichtenerzähler zu sehr einengen (Der Kaiser – die Liebenden – der Tod – alles klar :-D) sondern beschäftige mich mit der Symbolik der Karten (wie gesagt – Bücher sind hilfreich) und den Bildern selbst. Das funktioniert großartig und kann ein toller Augenöffner sein.
Ebenso hilfreich kann das Tarot beim Entwerfen einzelner Figuren dienen, sowohl, was ihren Charakter als auch, was ihre Entwicklung betrifft. Ich kann jeder Autorin und jedem Autor nur raten, es einmal damit zu versuchen.
AND NOW FOR SOMETHING COMPLETELY DIFFERENT:
Ich frage auf meiner Facebookseite nach Eurer Meinung zu den Coverentwürfen des Verlages für den kommenden Roman. Unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern verlosen wir drei signierte Exemplare von „Der Wandernde Krieg: Sergej“. Wenn Ihr mitmachen wollt, schaut hier. Vielen Dank und viel Glück! 🙂
Hi
Ein bisschen mehr als nur den Mund wässrig zu machen wäre hilfreich. 😉
Ich habe also meine Stäbchen oder Münzen, ist ja letztlich egal. Muss ich mich jetzt tatsächlich erst in das Buch der Wandlungen vertiefen um aus den Antworten die mir die Geworfenen geben etwas für die aktuelle Situation/Figur/etc. heraus zu finden?
Ich hoffe nicht.
Gruss
Marc
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Hi Marc,
also, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Dich. 😀 Die Schlechte zuerst:
Ja, wenn Du es so machen willst wie ich, wirst Du Dich in das I Ging vertiefen müssen – zumindest in die Kapitel über die Grundlagen und die jeweiligen Hexagramme, die Du geworfen hast. Hey, ich habe oben gesagt, dass das Arbeit ist und mit Aufwand verbunden. 😉 Ich würde Dir ja jetzt gerne das I Ging-Buch empfehlen, das ich verwende, aber das ist ein „Diogenes kleines Taschenbuch“ von 1995 mit der charmanten Preisangabe „DM 5.00“. Ich bezweifle, dass es das noch gibt. Der Autor ist Thomas Cleary.
Aber Du findest sicherlich andere Bücher oder eine Seite im Netz, die Dir helfen kann.
Nun die Gute:
Nein, musst Du nicht. Wie oben gesagt: Ich glaube nicht, dass das I Ging (oder das Tarot) tatsächlich in der Lage sind, in die Zukunft zu schauen oder so etwas. Von daher sind die Texte im Buch der Wandlungen und die Deutungen der Karten für mich Zugänge zu meinem Unterbewussten, zu meinem Ideenmotor. Da ich in dieser Sache (wenigstens in dieser) sehr diszipliniert bin, halte ich mich an das, was die Orakel ergeben.
Aber niemand zwingt Dich, das auch so zu machen, es gibt da kein richtig oder falsch. Wenn Du die Erfahrung gemacht hast, dass das Gummibärchenorakel Dir gute Ideen liefert, kauf Dir eine Tüte und entwerfe Deine Geschichte. Wenn Du möchtest, gib den einzelnen Bildern im Tarot oder den Hexagrammen im I Ging Deine ganz eigene Bedeutung und nutze sie so. Wenn Du ganz übel drauf bist – lass Dir das Horoskop Deiner Figuren berechnen. 😀
Für micht funktioniert es sehr gut, dass I Ging und vor allem die Tarotkarten vergleichsweise konservativ zu benutzen. Aber das gilt für mich, und ich empfehle es gerne weiter. Aber wer den Aufwand scheut oder mit der Methode nichts anfangen kann macht nichts falsch, wenn er es auf seine eigene Weise versucht.
Greetz
Michael
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