Ich habe Euch ja versprochen zu erzählen, wie ich meine Computerprobleme gelöst habe (vorerst). Bevor ich also mit meiner diesjährigen Adventsbloggerei anfange und Euch um Weihnachten herum meine diesjährige Weihnachtsgeschichte (unter dem Link die vom letzten Jahr) präsentiere, erstmal dazu. Das alles begann mit zwei Problemen:
Das erste Problem: Ich bin nicht reich. Ich bin nichtmal besonders wohlhabend. Untere Mittelschicht, würde ich sagen, also überlegt Euch, ob Ihr diesen Beruf ergreifen wollt – er ist erfüllend, bereichernd und berauschend, aber finanzielle Sicherheit gibt er nicht. Er birgt die Chance und Hoffnung auf Ruhm und Reichtum, jederzeit, aber wer ihn aus diesem Grund ergreift, könnte ziemlich unglücklich werden. Künstlerschicksal. Natürlich ist das nur ein kleiner Ausschnitt meiner Lebensverhältnisse und nur einer meiner drei Jobs, aber für jetzt reicht das: Es ist mein Haupt- und Lieblingsjob und er wirft nicht viel ab.
Diese Konstellation führte dazu, dass ich ein paar Jahre ein Netbook mit angeschlossenem Bildschirm und externer Tastatur als Hauptrechner nutzte. Irgendwann war das kleine Ding überfordert und begann, den Geist aufzugeben. Und ich konnte mir keinen neuen Rechner leisten. Doofe, existenzbedrohende Situation. In diesem Moment sprang mir eine wahnsinnig liebe Freundin zur Seite und rettete mich, indem sie ihren tadellosen (okay, da fehlen fünf Tasten im Zahlenblock – aber den Zahlenblock habe ich noch nie gebraucht) Zweitlaptop in ein Paket packte und mir schickte. Ich habe vielleicht nicht viel Geld, aber ich habe eine Handvoll dermaßen TOLLER Freunde… ich schweife ab. Also, der Laptop reiste von Österreich nach Deutschland, kam alsbald hier an und linderte die Not. Ich konnte wieder arbeiten.
Allein – irgendwer hatte offenbar unterwegs mit dem Paket Fußball gespielt oder so. Kommt ja vor. Der Laptop, der bisher tadellos lief (auch ohne 1, 2, 3, 4 und 5 auf dem Zahlenblock) wies nun einen Hardwarefehler auf. Long Story short: Besagter Hardwarefehler führte zu Softwareproblemen, die in immer neuen Abstürzen resultierten. Diese Abstürze aber, soviel war ebenfalls deutlich, waren nicht zwangsläufig, sondern hatten viel damit zu tun, dass der Rechner unter Windows lief.
Nun kommt Problem Nummer 2: Ich bin ein ziemlicher Idiot, was Computer betrifft. Oder sagen wir es anders – ich bin ein User. Mehr nicht, mehr will ich auch nicht sein. Dass ich eine Maschine nutze und brauche bedeutet nicht, dass ich ihre Geheimnisse kennen, sie bauen, betriebsfertig machen und reparieren können muss. Autohersteller haben das schon lange begriffen. Die meisten Computerhersteller auch. Softwarehersteller? Vergiss es! Ich habe also, wie jeder verzweifelte (und nicht wohlhabende) Windowsuser hier und da mal gebrüllt „ich wechsele zu Linux“ – aber gemacht habe ich das nie. Jetzt aber begann es, lebenswichtig zu werden. NOCH eine Freundin die Laptops verschenkt hatte ich nicht. Also habe ich dann mal den Umstieg gewagt…
WARNUNG: Was folgt, ist eine Erfahrungsgeschichte und Anleitung für Leute wie mich – Leute, die NICHTS von Software verstehen außer dem, was sie vielleicht in vielen Jahren an Erfahrung gesammelt haben (22 Jahre in meinem Fall). Leute die Linux-Distributionen als alternative Betriebssysteme sehen und nicht als tolle Bastelaufgabe. Leute die einfach nur arbeiten wollen. Könnte also sein, dass das folgende bei dem einen oder anderen Softwareschreiber und Linuxexperten zu Krampfanfällen, Hirnblutungen oder ähnlichen Unschönheiten führt. Ich habe Euch gewarnt!
Klar soweit? Also los – mein Weg zu Ubuntu:
Zunächst: Der Schrei „Ich wechsele zu Linux“ ist, wie ich gelernt habe, wenig sinnvoll, denn Linux ist kein Betriebssystem wie Windows, sondern die Basis verschiedener Betriebssysteme, so genannten Linux-Distributionen. Nicht alle davon bieten ein Desktop wie wir Laien es kennen, aber viele tun es. Die gängigste heißt Ubuntu.
SCHRITT 1: Angst ablegen. Ich weiß, liebe Mitgefangene, Microsoft hat uns eingeredet, dass es uns alles wegnehmen und zerstören wird, dass wir nie wieder arbeiten und/oder spielen können, jedenfalls nicht am Rechner, wenn wir untreu werden. Ist Quatsch. Ich erkläre später Näheres, jetzt nur soviel: Viele von Euch nutzen doch zum Beispiel auch OpenOffice anstelle von MSOffice, oder? Und? Jemals irgendwelche Probleme gehabt? Also…
SCHRITT 2: Backup ALLER wichtigen Dateien anlegen!!! Trotz aller Euphorie meinerseits – Ihr spielt am Betriebssystem herum. Was Ihr nicht verlieren wollt, solltet Ihr vorher in Sicherheit bringen.
SCHRITT 3: Festplatte partitionieren. Heißt das so? Ich glaube schon. Durchatmen, keine Angst: Das bedeutet nur, dass Ihr einen Teil der Festplatte frei gebt, auf der sich das neue Betriebssystem niederlassen kann, was viel ungefährlicher ist (finde ich) als gleich Tabula Rasa zu machen. Wenn Ihr die Festplatte partitioniert, werdet Ihr nichts verlieren. Wie das mit dem Partitionieren geht, beschreibe ich jetzt hier nicht – ich fürchte, irgendetwas zu vergessen. Aber es ist nicht schwer, recherchiert ein wenig, fragt kundige Freunde – wenn ich das kann, könnt Ihr das auch.
SCHRITT 4: Nun wird es ernst – Ihr müsst eine Boot-DVD (!) erstellen, von der aus Ihr das neue Betriebssystem installieren könnt. Haltet Euch dabei genau (!) an die Anleitung auf der Download-Seite, dann wird das klappen. Ihr habt die Wahl zwischen Ubuntu 12.04 und Ubuntu 13.10. Ich rate Euch zu 12.04, es ist erprobter und es gibt sehr viel mehr Software, die darunter läuft, als unter Ubuntu 13.10, der neuesten Version. Nachdem ich das gesagt habe muss ich zugeben, dass ich mit 13.10 arbeite. Unter 12.04 funktionierte bei mir die Bildschirmansicht nicht, nie. Da ich aber sonst niemanden kenne, der dieses Problem hat, scheint es eine individuelle Geschichte zu sein. Ich bin mit meinem 13.10 sehr glücklich, glaube aber, wie gesagt, dass 12.04 (noch) praktischer ist.
Oh übrigens – was habt Ihr für Euer Windows bezahlt? Ubuntu ist kostenlos. 🙂
SCHRITT 5: Ihr bootet nun von der DVD. Normalerweise klappt das, indem Ihr den Rechner bei eingelegter DVD hochfahrt und dann die entsprechende Option wählt. Wenn das NICHT klappt, müsst Ihr wahrscheinlich eine winzige Änderung in der Konfiguration Eures Rechners vornehmen. Ich kann das, aber das ich es kann ist ein Zufall, der mit den 22 Jahren teils leidvoller Erfahrung zu tun hat, deshalb werde ich es jetzt hier nicht beschreiben. Laienhaft gesagt müsst Ihr dem Computer befehlen, zuerst zu schauen, ob er von einer DVD/CD starten kann, bevor er von der Festplatte startet. Falls Ihr nicht wisst wie das geht – Ihr kennt bestimmt jemanden, der es kann und Euch durch diese (wirklich einfache) Prozedur hindurchleitet.
SCHRITT 6: Fast geschafft – von nun an übernimmt Ubuntu und leitet Euch durch die Installation. Stellt sicher, dass Euer Computer mit dem Internet verbunden ist oder verbindet ihn während der Installation damit (Ubuntu wird Euch danach fragen). Das ist nicht unbedingt nötig, aber hilfreich. Sofern Ihr die Festplatte vorher partitioniert habt, müsst Ihr nun noch eine Entscheidung treffen: Wollt Ihr Ubuntu neben Windows installieren, oder wollt Ihr (siehe oben) Tabula Rasa machen, die Festplatte leerräumen und Windows in den Orkus schicken. Wenn Ihr mutige Zeitgenossen seid, macht Ihr natürlich Letzteres. Ich bin ein Feigling und habe Ubuntu neben Windows installiert. Wenn Ihr das tut, wird Euch der Rechner bei jedem Hochfahren fragen, welches Betriebssystem er starten soll.
SCHRITT 7: Das war es soweit. Lasst Euch durch die Installation leiten (das geht viel schneller und einfacher als alles, was Ihr kennt) und genießt die Reise. Willkommen bei Ubuntu. Viele wichtige Programme – zum Beispiel Firefox und eine Officepaket (LibreOffice, ähnelt stark OpenOffice) sind schon vorinstalliert.
Mein Ubuntu-Desktop. Das Bild ist von mir, Ihr werdet am Anfang einen geschmackvoll organge-roten Hintergrund sehen. 🙂 Links in der Menüleiste die (mir) wichtigsten Anwendungen.
Meine Erfahrungen nach circa einem Monat ständiger Arbeit mit Ubuntu:
Vorteile:
1.) Der Rechner stürzt kaum noch ab!!! Der Hardwarefehler ist noch da, also gibt es manchmal Abstürze. Ein Absturz unter Ubuntu sieht so aus, dass der Bildschirm monochrom wird und der Computer meldet, dass das Programm gerade abgestürzt ist, dann kann man weiterarbeiten – kein Totalausfall mehr. Den gab es nur ein einziges Mal. Zum Vergleich: Vorher stürzte er drei- bis viermal am Tag ab. Total!
2.) Ältere Computernutzer werden die Dateiverwaltung lieben. Sie sieht ein wenig aus wie das gute alte Windows 3.11, etwas modernisiert. Kein buntes Chaos aus stylishem Brauchtkeinmensch:
Und seht Ihr unter „Geräte“ den Punkt „Acer“? Das ist die Festplatte, darin mein alter Userordner „Michael“. Alle Dateien waren noch da, nichts verloren.
3.) Das Software-Center! Ich weiß nicht, wieviel Zeit ich früher im Internet auf der Suche nach Software verbracht habe. Hier findet man eine sehr große Auswahl nützlicher Programme – und das meiste ist Freeware.
Das Software-Center. Links seht Ihr ein Menü mit Genres – die Auswahl ist gigantisch.
Einer meiner Favouriten – der Focus-Writer. Eine anderes Beispiel für tolle und kostenlose Software, die im Software-Center zu haben ist, ist das bekannte Programm „Trelby“ für Drehbuchautoren.
Die zweite Angst aller Windowsuser – wenn ich umsteige gibt es keine Software mehr – ist unbegründet. Es gibt sogar ein Programm (Wine) unter dem Windowsanwendungen laufen.
4.) Die Übersichtlichkeit. Für Chaoten wie mich ein unschätzbarer Vorteil.
5.) – XX.) Es gibt gewiss noch sehr, sehr viele Vorteile, die ich gar nicht bemerke. Dass Viren und andere Schadprogramme sehr selten auf Linux-Distributionen zielen ist ja bekannt.
Nachteile
Gibt es auch:
1.) Unter Windows 13.10 läuft OpenOffice nicht. LibreOffice ersetzt es absolut, ich bin trotzdem beleidigt. Ich mochte OpenOffice. 🙂
2.) Na ja, sagen wir es, wie es ist – viele beliebte und nützliche Programme laufen eben doch nur unter Windows. Häufig gibt es einen guten Ersatz, manchmal aber eben nicht. Die Rhythmbox etwa tut absolut nicht, was ich will, ich vermisse iTunes. Mag an mir liegen, aber ich bevorzuge Programme, die ich verstehe und die tun was ich will.
Meine Nemesis – die Rhythmbox. Sie ist oft beleidigt und hat dann keine Lust mehr, mir was vorzusingen… zumindest nicht das, was ich will.
Fazit
Mein Umstieg auf Ubuntu war einfach, erfolgreich und gelungen, alle Nachteile des neuen Betriebssystems werden durch die Vorteile mehr als aufgewogen. Ich werde bald einen neuen Rechner brauchen (der Hardwarefehler…). Wenn ich den habe, werde ich wieder Ubuntu und Windows nebeneinander installieren (lassen) und Windows rein für umfangreiche Spiele und Ähnliches nutzen. Ubuntu wird mein Alltagsbetriebssystem sein. Ich wünsche mir nur, ich hätte zu Beginn eine Anleitung für Idioten gefunden. Da es die nicht gab, habe ich sie geschrieben. 😉
Hallo Michael,
ich kann auch die Finger von einem Dual-Boot-System (Windows 7 + Ubuntu 12.04) nicht lassen, da ich beruflich beide Systeme brauche und mir die Performance-Einbußen in virtuellen Maschinen einfach zu groß waren.
Ich möchte Deinen Beitrag gerne noch etwas ergänzen, damit mehr Leute den Mut finden, Linux auszuprobieren.
Die Wahl der Distribution:
– Ubuntu – ist sicherlich eine sehr einsteigerfreundliche Distribution, gut für Keyboard-Junkies geeignet
– Mint – ebenfalls sehr einsteigerfreundlich, für Freunde einer „klassischen“ Oberfläche
– Debian – darauf basieren Ubuntu und Mint, eher etwas für „alte Hasen“
– Arch Linux – wer gerne alles selber konfigurieren möchte und ein sehr schnelles, stabiles (wenn an sich auskennt) System haben will, das nur die Dinge beinhaltet, die man wirklich benötigt
Daneben existieren natürlich noch zahllose andere Distributionen, die z.T. kostenpflichtig sind (wegen Support oder Extra-Software), wie z.B.: RedHat, OpenSuSe, CentOS, OracleLinux, u.v.a.m.
Partitionierung:
Wer sich später einmal ausreichend mit Linux auskennt, merkt, dass dort eine Verlagerung der Nutzerdaten auf eine separate Partition (oder Festplatte) nicht so kompliziert ist, wie bei Windows. Das birgt natürlich den Vorteil, dass man die Daten besser trennen kann und dann Vorteile bei der Datensicherung hat, da man dies wesentlich einfacher konfigurieren kann.
Ferner bietet sich an, eine Partition zu erstellen, die man sich mit Windows teilt – wenn man ein Dual-Boot-System verwendet. Die dort abgelegten Daten kann man dann mit beiden Systemen verwenden (z.B. Musik, Bilder, Videos, PDFs, etc.). Auch kann man dann eine der Anleitungen aus dem Netz verwenden, wie man Thunderbird und Firefox so konfiguriert, dass diese auf solch eine geteilte Festplatte zugreifen, d.h. man kann auf die gleichen Bookmarks, Emails, etc. zugreifen, egal auf welchem System man ist. (Kleine Einschränkung: Bei der Auswahl von PlugIns muss man darauf achten, dass diese betriebssystemunabhängig sind.)
Software bzw. Anwendungen findet man wie Sand am Meer, meist kostenlos (wie bereits erwähnt). Wenn man ein Dual-Boot-System betreibt, würde ich darauf achten, dass man Programme verwendet, die es für beide Betriebssysteme gibt, um den Einarbeitunsaufwand zu verringern und Daten leichter austauschen zu können.
Die Arbeit mit Linux ist in den letzten Jahren deutlich einfacher geworden – und manchmal noch einfacher, als mit Windows!
Als Beispiel möchte ich meinen UMTS-Stick anführen, der unter Windows erst einmal versucht, seine eigene Software zu starten und dabei öfters mal rumzickt. Unter Ubuntu, habe ich den nur einstecken müssen, PIN eingeben, funktioniert …
LikeLike
Hallo Guido,
danke für die ausführliche Ergänzung! 🙂 Vor allem freut mich, dass meine Befürchtung, dass jemand er sich wirklich mit sowas auskennt angesichts meiner Einführung in die Ubuntuwelt Schüttellähmung bekommt dann doch nicht völlig zutrifft. 😀 Würdest Du denn auch sagen, dass Ubuntu für Nur-User wie mich die beste Linux-Distribution ist, oder würdest Du noch eher etwas anderes (Mint?) empfehlen?
LikeLike
Hallo Michael,
Ubuntu ist sicherlich DIE Distribution für den unbedarften Benutzer, der sich auch auf ein „neues“ Bedienkonzept (Unity-Oberfläche) einlässt.
Wem es mehr nach Windows aussehen soll – und wer sich gerne den Desktop vollpackt – und gerne stets „das Neueste“ haben möchte, der greift zu Mint.
Auf Grund der guten Unterstützung durch die große (auch deutschsprachige) Community halte ich Ubuntu für die erste Wahl.
Wem die Oberfläche nicht gefällt, der kann ja auch Kubuntu benutzen (KDE-Oberfläche), oder eine andere Ubuntu-Variante wie z.B. Edubuntu, eine Variante für den Schul- und Lehreinsatz mit ganz viel vorinstallierter Lernsoftware (die kann man aber auch beim klassischen Ubuntu ganz einfach hinzufügen).
Wer länger – professionell – mit Linux arbeitet, kommt auf die Dauer nicht an Debian, oder der von seinem Arbeitgeber verwendeten Distribution (oder deren freien Version) vorbei.
Einen Versuch ist auch OpenSuSe wert, welches eine sehr gute deutsche Community und eine sehr gute deutsche Lokalisierung hat.
Wenn Dich die Unity-Oberfläche nicht stört, würde ich bei Ubuntu bleiben, die Benutzerfreundlichkeit und der (deutschsprachige) Support ist einfach gut und verlangt auch Linux-Einsteigern nicht zu viel ab.
LikeLike