schreckenbergschaut: Der Marathontag – Fantasy Filmfest 6

Das Fantasy Filmfest in Köln endete bereits vorgestern. Ich sah am letzten Tag zwei Filme von denen einer sehenswert, wenn auch schwer depremierend war, der andere wirklich sehr gut und eines meiner diesjährigen FFF-Highlights. Aber dazu morgen. Heute beschäftige ich mich, leicht verspätet, mit meinem einzigen Marathontag in diesem Jahr: Am vergangenen Freitag sah ich vier Filme am Streifen. Hier sind sie:

Reset
(China 2017)
Buch und Regie: Hong-Seung Yoon

Verbrecherische Industriespione entführen den kleinen Sohn einer Wissenschaftlerin, die eine Zeitmaschine entwickelt. Natürlich hat unsere Heldin den Vorteil, dass sie Fehler durch Zeitreise korrigieren kann.

Klingt, als hätten die Chinesen sich an einem sehr konventionellen Plotklassiker des Genres versucht (mit kleinem Seitenhieb auf den permanenten Vorwurf der Industriespionage gegen sie – die böse Firma hinter den Spionen ist hier selbstverständlich eine amerikanische)? Ja, so las sich das auch im Programmheft, weswegen der Film auf meiner persönlichen Vorauswahlliste nur auf Platz 11 landete – und dorthin gepusht vor allem durch meine Neugier auf SciFi aus China.

Stimmt aber nicht, und mahnt einmal mehr, dass kulturelle Arroganz ausgerechnet China gegenüber sehr unangebracht ist. Der Grundplot ist tatsächlich konventionell, aber Hong-Seung Yoon gewinnt ihm, durch die Idee dass Zeitreisen sich auf das Gehirn auswirken und den Charakter verändern, eine spannende neue Facette ab. Hinzu kommt ein unerwarteter Plottwist zu dem ich jetzt nicht mehr sage, um nicht zu spoilern. Oder doch soviel: Der Autor spielt hier auch sehr geschickt mit den Erwartungen, die wir Westler an Figuren in asiatischen Filmen haben (wie Chinesen selbst das sehen kann ich nicht beurteilen).

Hinzu kommen 1a Action, tolle Bilder, viel Spannung und Gefühl – fertig ist der gelungene Popcorn-Film für Menschen, die gerne Spaß haben wenn sie einen Film schauen. Unbedingt empfehlenswert.

Ein Logikloch glaube ich gefunden zu haben, aber das tut nicht sehr weh. Und dass diesmal die Amis die Bösen sind (in diesem Falle ist der Westen pars pro toto gemeint, denke ich), das müssen wir uns nach einem Jahrhundert Dr. Fu-Manchu und Konsorten mal gefallen lassen.

The Strange Ones
(USA 2017)
Buch: Christopher Radcliff
Regie: Christopher Radcliff und Lauren Wolkenstein

Ich bin zehn Minuten zu spät in diesen Film gekommen, weil ich noch ein wichtiges geschäftliches Telefonat mit Sarah zu führen hatte.  Weitere zehn Minuten später wusste ich, was das „Mysterium“ dieses Films war und wie er enden würde. Und ich mag ein wenig von Dramaturgie verstehen, aber ich bin weder ein Genie noch ein Hellseher. Die Geschichte war einfach schrecklich vorhersehbar, klischeehaft und grottenlangweilig.

Das Spannendste am ganzen Film war eigentlich, als irgendein Typ auf mich los kam und sich beschwerte weil ich, nachdem ich mich genug gelangweilt hatte, besagtes Gespräch mit Sarah per Whatsapp weiter führte. Ich hatte selbstverständlich den Ton abgeschaltet und verdeckte das Licht meines Smartphones mit meinem Körper, aber es störte ihn trotzdem. Vielleicht aus Prinzip oder so. Hätte er sich getraut, mich anzufassen wäre das RICHTIG spannend geworden. So war es nur eine erfrischende kleine Episode in einem sonst sehr unfrischen Kinoerlebnis. Dafür bin ich dem Kinopolizisten ein wenig dankbar. Und ich bewundere seinen Mut. 😀

Jungle
(Australien 2017)
Buch: Justin Monjo, Yossi Ghinsberg
Regie: Greg McLean

Kleiner Tipp für die Macher des FFF: Nicht jeder Festivalbesucher recherchiert alle Fakten über einen Film und seine Grundlagen BEVOR er sich den Film ansieht. Manche machen das nachher, um das Werk unvoreingenommen genießen zu können. Solche Leute spoilert man kollossal, wenn man wichtige Hintergrundfakten zum Inhalt eines kleinen Gewinnspiels im Kino vor dem Start der Vorstellung macht. Muss nicht sein.

Ansonsten: Tadellose Geschichte um drei Globetrotter, die sich ein wenig übernehmen als sie einem zwilichtigen Führer in den bolivianischen Dschungel folgen. Sehr spannend (es sei denn, man ist gespoilert), schöne und beeindruckende Naturaufnahmen. Außerdem ließ Greg McLean mich die Verzweiflung und zunehmende Orientierungslosigkeit, die Klaustrophobie in dieser so riesigen und erdrückenden Landschaft wunderbar fühlen. Sehr, sehr guter Film. Bin nicht ganz sicher, was er auf dem FFF zu suchen hatte, aber das ist eigentlich egal. 😀

Ach ja, da das immer wieder erwähnt wird: Daniel Radcliff, der hier den Protagonisten spielt, hat früher Harry Potter gespielt. Weiß nicht, warum das heute noch so unglaublich wichtig ist, der Mann ist ein verdammt guter Schauspieler und seither weiter gegangen.

Und last but not least.

Super Dark Times
(USA 2017)
Buch: Ben Collins, Luke Piotrowski
Regie: Kevin Phillips

Der Film wird immer wieder mit Donnie Darko und Stand by me verglichen oder gar gleichgesetzt. Keine Ahnung warum, vielleicht weil es auch ein trauriger Coming-of-Age-Film mit nostalgischem Flair (90er) ist. Das ist unfair, denn es weckt Erwartungen, denen das Werk dann nicht gerecht wird. Das ist kein Meisterwerk oder Geniestreich. Nur ein sehr gelungener Film um zwei Freunde und ein schreckliches Erlebnis mit einer etwas zu wilden Pointe. Und in einem Punkt auch leicht unlogisch, glaube ich. Da ist ein Kind verschwunden – wieso ist nicht die ganze Stadt auf den Beinen und sucht?

Kein Meisterwerk, wie gesagt. Kein Donnie Darko (aber eine sehr, sehr liebenswerte Anspielung auf dieses Meisterwerk, das ich sehr liebe, was mich schon glücklich macht 🙂 ). Aber ein guter, ruhig erzählter, durchaus sehenswerter Film. Das ist nicht wenig. Lassen wir es dabei.

Vor dem letzten Tag stand es damit 9:3 für die gelungenen Filme! Schon zu dem Zeitpunkt also eine sehr erfreuliche FFF-Bilanz, deutlich besser als in den Jahren vorher.

 

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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