schreckenbergschreibt: Türchen Nr 3 – Teamwork Teil 1

Ende Oktober besuchte ich in Wien einen von Michael Reisecker organisierten Workshop zum Thema „Writer’s Room“. (Michael, falls Du dies liest, die letzte Rate kommt, ich habe es echt vergessen!). Dozent war Timo Gößler. Für mich war der Workshop in mehreren Hinsichten ein großer Gewinn, unter anderem auch, weil ich mit Writer’s Rooms noch keinerlei Erfahrung hatte. „WRITER’S ROOM“ ist im Moment so ein Zaubertwort in der Branche, mit dem sich sehr viele Wünsche und Hoffnungen verbinden – und das sehr viele Leute, sehr unterschiedlich verstehen. Bis hin zu Ideen von (so genannten) „Writer’s Rooms“, in denen alle möglichen Leute „mitmachen“ – und in denen die Autor*innen (also die Writer) in der Minderheit sind (und nicht das Sagen haben). Nein, Leute, es hat schon einen Grund, dass dort, wo es funktioniert, im Writer’s Room nur Writer sitzen. Aber zur Wertschätzung von Autor*innen und warum sie so wichtig wäre vielleicht ein andermal.

Heute (und morgen) will ich über Teamwork beim Schreiben sprechen. Heute mehr allgemein, morgen mit ein paar praktischen Tipps, wie das funktionieren kann. Denn – und so komme ich darauf – die magischen Writer’s Rooms sind im Grunde nicht mehr als das: Eine Methode, wie man mit mehreren Autor*innen eine Geschichte schreibt (denn etwas anderes ist auch eine Serie nicht). Bei dem Workshop ergab es sich, dass ich mit Jacob Groll und Sarah zusammen eine Folge einer fiktiven Serie entwarf. Das waren nicht nur vom Spaßfaktor her ein paar großartige Stunden – es war eben auch ein sehr effektives Plotten. Die Grundidee der Folge war von mir, Sarah und Jacob haben sich dazu gesellt – und was am Ende dabei raus kam, war 1.) sehr anders als das, was ich mir ursprünglich gedacht hatte und 2.) viel besser.

Jacob Groll mit dem Ergebnis unseres Powerplottings. Es kommen Hippstersatanisten vor. Wir hatten Spaß.

Klar, unser Team war eine glückliche Fügung. Nicht nur, weil wir die Kombination zweier eingespielter Duos sind: Dass Sarah und ich viel zusammenarbeiten und, wo nicht, gegenseitige Erstleser sind – uns also auch beruflich sehr gut kennen und sehr vertrauen – habe ich hier schon oft erwähnt. Und lange bevor Sarah und ich begonnen haben, gemeinsam zu schreiben, waren sie und Jacob schon ein Team, dem wir zum Beispiel die unbedingt sehenswerte Serie „Janus“ verdanken. (Bald ist übrigens Weihnachten… nur so am Rande.) Wir drei haben ganz gut geklickt, glaube ich. Aber ich bin ziemlich sicher, dass gerade bei einer so strengen Form wie einem Seriendrehbuch, mehrere kreative Köpfe oft zu einem besseren Ergebnis kommen als einer alleine.

Das war nicht immer so. Noch vor… sagen wir… fünf Jahren hätte ich fest behauptet, dass Schreiben im Team nichts für mich ist. Schon die Zusammenarbeit mit meinem Verlagslektor war schwierig für mich, obwohl ich nicht zu den Autoren zähle, die glauben, ihre erste Version sei gleich Gold. Aber er hatte immer soooo viel anzumerken, so viele eigene Ideen, und das war doch, verdammt nochmal MEINE Geschichte. Meine Idee, meine Figuren, meine WELT! Niemand kennt die besser als ich. Was erlaubt er sich, er Verlagsbüttel?

Nun ja – wie ich immer wieder gerne erzähle: Mit circa 90 Prozent seiner Anmerkungen hatte er in der Regel recht. Und das habe ich, nach dem ersten Furor, dann auch gerne eingesehen. Aber allein diese Erfahrung hat mich glauben lassen, dass ich für eine echte Co-Autorenschaft echt nicht gemacht bin. Ich bin mit meinen Ideen und Geschichten schon sehr eitel und sehr egozentrisch. Da jemand anderen ran lassen… naja.

Hinzu kommt, dass ich mich nur als Discovering Writer kannte, zumindest vor den Träumern und den Drehbüchern. Sowohl beim Finder als auch bei Sergej und – mit Einschränkungen – auch noch bei den Nomaden habe ich die begonnen, die Geschichte zu schreiben, ohne genau zu wissen, wo ich am Ende herauskommen würde. Die Träumer sind eine Ausnahme, weil Krimis schon wegen der Beweisführung Reißbrettarbeit benötigen, und die Kurzgeschichten stehen mir immer mehr oder weniger sofort ganz vor Augen. Aber das waren Ausnahmen. Phantastische Literatur schrieb ich (und schreibe ich immer noch) stets als Reise, bei der ich selbst nur ein paar Wegmarken kenne, nicht aber den Weg selbst und das Ziel, an das er mich führt. So zu schreiben ist ein faszinierendes Abenteuer – und ich dachte lange, für mich die einzige Methode.

Nur – Drehbücher kann man so nicht schreiben. Für ein festes Format wie Heldt sowieso nicht (btw. – Sahras und meine neueste Folge findet ihr hier in der ZDF-Madiathek) , aber auch nicht für neue Filme oder Serien, egal, ob man sie alleine oder im Team schreibt. Die visuellen Formate folgen einer strengen dramaturgischen Form für die es zwar sehr viele Bezeichnungen gibt (3-5 Akter, Sequenzenmodelle, Heldenreise etc.), die aber letztlich jeder Geschichte zugrunde liegt. Hinzu kommen die zeitlichen Begrenzungen. So etwas kann man nur geplant schreiben. Davon, dass eine Entwicklung in Zusammenarbeit mit einer Produktionsfirma und ggf. auch einem Sender nochmal etwas VÖLLIG anderes ist als die Zusammenarbeit mit einem Verlag will ich hier gar nicht anfangen. Nur soviel: Drehbuchautor*innen müssen unbedingt selbstbewußt und sollten besser nicht eitel sein. Sonst tut es weh.

Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass die Ergebnisse weniger kreativ sind, als die Ergebnisse einer Schreibreise ins Ungewisse. Es gibt sehr kreative Filme und Serien, umso besser und kreativer, je mehr Macht die Autor*innen haben. Und es gibt sehr unkreative Romane. Nicht die Form oder die Methode machen die Kreativität aus, sondern die Idee und die Geschichte, die daraus wird.

Dennoch habe ich in der Zusammenarbeit mit Sarah die Erfahrung gemacht, dass zwei kreative Köpfe, die sich Bälle zuspielen und gemeinsam spinnen, mehr sind als die Summe ihrer Teile. Gerade, wenn die Form so streng ist und allerlei Vorgaben uns Grenzen setzen. Wir nehmen uns sehr viel Zeit fürs Plotten, meist reise ich dafür zu ihr nach Wien, und wir verbringen Stunden und Tage damit, uns Ideen zuzuwerfen, damit zu spielen, in die wahnsinnigsten Richtungen zu spinnen, nur um am Ende zurück zu kommen und etwas zu haben, zu dem wir beide alleine nicht im Stande gewesen wären. Und die zwei Stunden, in denen wir beim Workshop gemeinsam mit Jacob unsere Köpfe um Privatdetektive und Hippstersatanisten gewickelt haben, lassen mich sehr stark vermuten, dass hier mehr Köche nicht unbedingt einen schlechteren Brei bedeuten.

Inzwischen bin ich sogar der Meinung, dass man auch zu zweit discovering schreiben kann – also die Methode, nach der ich Romane schreibe. Ist vor allem eine Frage der Form und der Absprache. Aber wie man zu zweit (oder zu mehreren) erfolgreich schreibt, dazu morgen mehr.

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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