schreckenbergschaut: FNHF Teil 2 – The Haunting

Es ist Freitagnachmittag, Zeit für den Freitagnachmittagshorrofilm. Diesmal:

The Haunting
(USA 1963)

Drehbuch: Nelson Gidding

Regie: Robert Wise

Vorweg erstmal: Der Film ist kein Meisterwerk. Ich höre zwar immer wieder, er sei eins, aber das ist ein Missverständnis – nicht jeder sehenswerte Film in Schwarzweiß den hauptsächlich Genrefans kennen und schätzen ist gleich ein Meilenstein des Filmschaffens. Aber ich wollen hier ja auch nicht über Meisterwerke reden, sondern über einen schönen, soliden Horrorfilm für den Freitagnachmittag, einen echten FNHF. Und das ist „The Haunting“ – oder, um den bescheuerten deutschen Titel mal zu nennen „Bis das Blut gefriert“ – allemal.

Vermutlich sollte sich in den Köpfen der damaligen deutschen Verleihfirma der Titel in etwa so anhören: „Biiis das Bluhuhuuuuut gefriehiehierhiertmuahahahahhihihiharhar.“ Und das wiederum tut diesem feinen Film unrecht. Denn doofer Trash ist er, im Gegensatz zum Remake aus dem Jahr 1999, absolut nicht. Aber alles der Reihe nach:

Inhalt:

Wir kennen das klassische Spukhaus Setting – Wissenschaftler, Geisterjäger, übermütige Studenten, etc., etc., – lassen sich in einem Spukhaus einschließen, um dem Spuk auf den Grund zu gehen. Diese Ausgangssituation ist inzwischen x-mal verfilmt worden, mal gut, mal einfallslos. „The Haunting“ war eine frühe Umsetzung der Idee und hat – ebenso wie Shirley Jacksons Geschichte „The Haunting of Hill House“, die dem Drehbuch zugrunde liegt – viele Nachfolger inspiriert.

Wie es sich für das Jahre 1962, in dem der Film spielt, gehört, ist es hier ein seriöser Wissenschaftler, der Anthropologe Dr. John Markway (Richard Johnson), der sich seinen Jugendtraum von der Jagd auf das Übersinnliche unter dem Deckmantel der Forschung erfüllt. Zu diesem Zweck hat er eine Liste von „Assistenten“ aufgestellt, Menschen die „schon einmal mit dem Paranormalen in Berührung gekommen sind“. Dummerweise bekommen die meisten dieser Handverlesenen kalte Füße, als sie sich ein wenig mit dem Hintergrund des Spukhauses (Hill House) beschäftigen. Das Haus hat – kurzgefasst – eine arg fiese Geschichte und es gab eine Menge Tote.

Die einzigen, die sich davon nicht abschrecken lassen, sind zwei Frauen: Theo (Claire Bloom) und Eleanor, genannt Nell (Julie Harris). Theo ist eine ziemlich fähige (und ziemlich distanzlose) Telepatin. Nell hatte in ihrer Jugend Ärger mit Poltergeistern, ist aber derzeit vor allem deshalb mit den Nerven am Boden, weil sie bei ihrer reichlich bösartigen Schwester und deren Familie leben muss und sich dazu noch die Schuld am Tod ihrer Mutter gibt. Komplettiert wird das Quartett von Luke Sanderson (Russ Tamblyn), einem jungen Lebemann, der Hill House eines Tages erben wird und sichergehen möchte, dass niemand den Verkaufswert seines künftigen Erbes schmälert.

Was nun kommt ist wenig überraschend: Ja, es spukt in Hill House, und nicht zu knapp. Schon in der ersten Nacht weckt ein Donnern Nell und Theo, ein Stampfen und Dröhnen, das wahrhaftig schauerlich ist. Wie es dann weiter geht, wie das Haus die Eindringlinge täuscht und manipuliert und vor allem mit Nell sein Spiel treibt, bis es schließlich bekommt, was es möchte, das möchte ich hier nicht verspoilern. Es ist sehenswert. Und hörenswert!

Urteil

Wie gesagt – kein Meisterwerk. Das Drehbuch hat, so sehr es mich schmerzt das zu sagen, erhebliche Schwächen. Klar, Nells innere Monologe sind wichtig. Aber man kann auch alles übertreiben, viel zu oft höre ich, was ich im Bild gleichzeitig sehe. Nelson Gidding traut mir nicht zu, auch die geringste Emotion insbesondere von Nell zu begreifen ohne, dass er sie mir erklärt. Schade. Denn Nell, so verstört und verängstigt sie ist, ist neben Luke der am besten nachvollziehbare Charakter. Was ist denn dagegen mit Theo los? Ist die eifersüchtig, weil Nell für Markway offenbar der wichtigere Freak ist? Ist sie intrigant? Versucht sie wirklich, Nell zu helfen? Fragen über Fragen, und ich werde den Eindruck nicht los, dass für Gidding Frauen generell ein Rätsel sind, er mir daher die eine dauernd übererklärt, während die andere vor allem auf kryptischste Weise launisch ist.

Auch Dr. Markway…. Der kennt die Geschichte des Hauses und um ihn herum wimmelt es nur so von bedrohlichen Zeichen und Geschehnissen, aber er bleibt bis kurz vor Schluss so nervtötend nonchalant, dass es weh tut. Hinzu kommt, dass Richard Johnson ihn völlig überspielt, ich habe immer den Eindruck, er möchte gar nicht Dr. Markway spielen, sondern viel lieber Clark Gable, der zufällig gerade Dr. Markway spielt. Und dann ist da noch diese blöde Logiklücke am Schluss. Für alle, die den Film kennen: Warum in aller Welt ist Markway so versessen darauf, Nell endlich auf den Heimweg zu bringen, während Grace immer noch verschwunden ist? So kaputt schien die Ehe doch gar nicht zu sein?

Aber genug über die Schwächen des Films – er hat ja auch so große Stärken.

Da sei zuvorderst genannt das Spiel von Claire Bloom und besonders Julie Harris (Letztere vor allem bekannt als die „Abra“ aus „East of Eden“). Die holen aus ihren seltsamen, unausgegorenen Rollen wirklich heraus was eben geht. Claire Bloom schafft es tatsächlich, die Theo halbwegs glaubwürdig zu machen und Julie Harris spielt so ausdrucksstark, dass Nell einen scharf gezeichneten Charakter bekommt, den das Drehbuch eigentlich nicht hergibt.

Und dann natürlich – das Haus selbst. „The Haunting“ ist ein Horrorfilm über ein Spukhaus, und er nimmt dieses Genre ernst. Habe ich eben noch über das Drehbuch geschimpft, hier ist es wirklich gut. Die meisten Autoren und Regisseure vertrauen offenbar nicht darauf, dass ein Ding so glaubwürdig böse sein kann. Das beste Beispiel dafür ist das alberne Remake, in dem es dann der böse Geist von Hugh Crane ist, der die armen Kinderseelen gefangen hält. Blöder, pathetischer Film. Im Original hingegen werden auch alle möglichen Geistergeschichten als Erklärung angeboten – aber das sind nur Fallen, und das Haus stellt sie. Das ist nicht einmal ein Spoiler, denn Markway sagt es schon in den ersten Sätzen der Einleitung. Es ist nur eben so schwer zu glauben – immer wollen wir eine Ursache.

Hill House liefert keine Ursachen und keine Erklärungen.  Das Donnern und Dröhnen – sind das Schritte? Oder klingt es nur so ähnlich, weil wir uns diese Erklärung basteln. Verformen sich die Türen, weil etwas dagegen drückt? Sind die Gänge gekrümmt und die Spiegel verzerrt, oder verändert sich einfach die Wahrnehmung? Wer oder was hält Nells Hand? Es gibt viele Fragen dieser Art und das Schöne ist – sie werden nie beantwortet. Und weil sie nicht beantwortet werden, spielt sich der eigentliche Horror im Kopf des Betrachters ab. Hier fließt kein Blut, hier springt nichts aus dem Schrank, hier zappelt nichts. Es sind die Geräusche und nur hin und wieder ein Anblick – Nell im Spiegel, das Gesicht der verängstigen Grace in der Dachbodenklappe. Für sich Dinge, die so schrecklich gar nicht sind. Es ist die Atmosphäre dieses Films die bewirkt, dass ich das alles zu etwas Grässlichem zusammensetze. Und das ist eines der größeren Komplimente, die ein Horrorfilm sich verdienen kann.

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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4 Antworten zu schreckenbergschaut: FNHF Teil 2 – The Haunting

  1. Krimi und Co. schreibt:

    Hallo Michael,

    da bin ich ganz deiner Meinung. Der Film ist richtig gut.

    Liebe Grüße
    Claudia

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    • Mountfright schreibt:

      Grüße zurück. 🙂 Ja, der macht Spaß. Deshalb bin ich ja damals für das Remake sogar ins Kino gegangen. Na ja… danach wußte ich zumindest wieder, WIE gut das Original ist.

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