Meine heutige Weihnachtsgabentischempfehlung hat einen kleinen Haken. Es ist wieder ein Buch (das ist noch völlig unhakig), es ist aber auch – wie meine erste Empfehlung „Mord im Dreieck“ – im selben Verlag erschienen wie meine Romane. Und darüber hinaus ist der Autor auch noch Daniel Juhr.
„Moment“, sagt der skeptische Leser. „Daniel Juhr… das ist Dein Verleger, oder?“
„Korrekt“, sage ich.
„Aber Du kannst doch hier keinen Roman Deines Verlegers empfehlen!“ sagt der skeptische Leser, ein wenig empört.
„Wieso nicht?“ will ich wissen. Denn immerhin ist das MEIN Blog. Und dann geht mir ein Licht auf. Ach so! Der skeptische Leser meint, die Empfehlung sei nicht ehrlich gemeint. Na, da kann ich ihn beruhigen.
1.) Mein Verleger und ich verkehren auf geschäftlicher Basis nicht nach dem Motto „kratz mir den Rücken, dann kratz ich Dir den Rücken“. Nein, wir haben diese Dinger… äh… wie hießen die noch… Ach ja: Verträge. Ich gebe ihm Geschichten und Veröffentlichungsrechte. Er gibt mir seine Verlags- und Marketingpflichten und Geld. Von Rezis, Geschenken und nützlichen Aufwendungen ist da nicht die Rede.
2.) Bescheuert müsste ich sein, würde ich Euch ein Buch empfehlen, das ich nicht mag und das ausgerechnet mein Verleger geschrieben hat. Das hier ist ÖFFENTLICH, Leute. Und Eure Meinung von mir ist mein Kapital. 😉
Also lehnt Euch vertrauensvoll zurück, denn mein heutiger Tipp ist:
Was ist das?
„Exit“ ist die Geschichte einer fiktiven letzten Nacht in einer ehemals real existierenden Disco. Es hat im Exit auch eine wirkliche letzte Nacht gegeben, aber die Episoden, die Daniel Juhr hier erzählt, sind in diesem Rahmen frei erfunden.
Im ersten Halbjahr dieses Jahres erlebte das Buch hier im Bergischen Land (das Exit befand sich in Solingen, Müngsten um genau zu sein) einen richtigen kleinen Hype. Viele Medien berichteten darüber, Daniel Juhr las auf Exit-Fotoabenden und Revivalnächten in anderen Discos… klar: Alle, für die das Exit ein Teil ihrer Entwicklung war, und die von dem Buch hörten, wollten es haben. Dabei geriet ein wenig unter die Räder, dass es für sich genommen zunächst einfach mal ein guter Episodenroman ist. Die Geschichten, die Juhr erzählt, sind, jede für sich, sehr lesenswert. Jede mit einem eigenen Charakter, von witzig über schwarzhumorig bis tiefgehend traurig. Sie sind gut verwoben, durch das Exit als heimliche Hauptfigur und Rahmen. Eine davon enthält die beste Schilderung von schlechtem Sex die ich je gelesen habe. Und vor allem – sie funktionieren, unabhängig von der Verbindung des Lesers zum Handlungsort. Ich habe das Exit nie von innen gesehen, meine Läden waren andere.
Warum ist das ein gutes Geschenk?
Weil jeder „seinen“ Laden hat oder hatte, seine Disco, sein Eiscafé, seinen Partykeller, seine Billardkneipe, was auch immer, einen Ort oder mehrere, der Durchgang- und Kreuzungspunkt der Fäden in seinem Leben war. Und weil es immer wieder schön ist (und manchmal auch schmerzhaft), dorthin zurückzukehren, und sei es nur in Gedanken. Das „Exit“ steht beispielhaft für diese Orte. Und die Episoden, die Daniel Juhr erzählt, stehen Beispielhaft für einige Emotionen, die man dort gefühlt hat: Freude, Wehmut, Schmerz, Peinlichkeit, Lust, Trauer… alles ist da. Und alles ist so da, dass es eben nicht das Exit gewesen sein muss, in dem man das alles gefühlt hat. Ich war, wie gesagt, nie dort und es funktioniert für mich dennoch so gut, dass ich nicht einmal unterscheiden kann, welche Figuren in dem Roman erfunden sind und welche real. Sie sind alle authentisch.
Für wen?
Wenn Ihr also zwischen… na, sagen wir 28 und 48 seid, und wenn Ihr jemanden beschenken wollt, der die wilde Zeit mit Euch verbracht hat (oder verbringt), dann ist „Exit“ eine gute Wahl. Und die ausführliche Playlist des (realen) letzten Abends im Exit hilft Euch sicher, Eure eigene gemeinsame Erinnerungsplaylist zusammenzustellen.
Wenn Ihr aber jemanden beschenken wollt, der zum Exitpublikum gehörte und das Buch noch nicht hat, dann ist es ein absolutes Muss!
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