schreckenbergschreibt: Selbstachtung, bitte!

Eigentlich sollte dies eine Antwort auf den Kommentar von 11 zu meinem Blogbeitrag von gestern werden – aber ich schweife beim Antworten doch so sehr ab, dass ich daraus einen eigenen Beitrag mache. 11 schrieb unter anderem:

„(…) Solange Autoren unbezahlte Gigs annehmen und bei Druckkostenzuschusslern ihre Büchlein rausbringen, wird sich auf Verwerterseite nichts ändern. Über das Thema habe ich mich auch vor einer Weile mal entsprechend ausgelassen: http://zaubertinte11.wordpress.com/2011/07/29/vom-wesen-der-wertschatzung/ (…)“

Ich bin vom Gefühl her etwas milder gegenüber den Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die sich in ihrer Verzweiflung an Druckkostenzuschussverlage wenden. Ich habe selbst zehn Jahre lang Absagen gesammelt, das nagt an der Substanz. Allerdings habe ich das Angebot eines Druckkostenzuschussverlages abgelehnt, weil ich eben meinen Anspruch und diesen Stolz hatte. Aber die Versuchung war da – einfach weil die so nett über mein Buch gesprochen haben, diese Schlangen (ich hatte es ihnen geschickt, weil ich nicht wusste, dass es ein Zuschussverlag war, die hatten einen ganz guten Namen, damals). Gottlob hatte mir kurz vorher die Lektorin eines sehr renommierten und seriösen Verlages eine begeisterte Ablehnung geschickt (sie hat mich in der Programmbesprechung nicht durchsetzen können), so wusste ich, dass ich auch bei echten Verlagen eine Chance habe. 🙂

Allen, die dies lesen und über einen Druckkostenzuschussverlag nachdenken:

LASST ES!!!!

Ihr betrügt Euch selbst und ihr werdet Euch wundern und enttäuscht sein, wie wütend andere Schriftsteller auf Euch sind. Die Ablehnung ist massiv und hat nichts mit Dünkel zu tun. Viele Print-Selfpublisher empfinden das so, man muss sich nur in den entsprechenden Foren umschauen. Sie glauben wir „Etablierten“ (Ihr würdet Euch wundern, wie wenig etabliert man sich als „Etablierter“ fühlen kann 😉 ) hielten uns für die besseren Autoren, sprächen den Selfpublishern ihr Talent und ihr Engagement ab – das ist nicht so, jedenfalls nicht, sofern es mich betrifft (und einige sehr viel etabliertere und berühmtere Kollegen, die ich kenne). Ich weiß sehr gut, dass auch eine große Portion Glück dazu gehört, zum richtigen Zeitpunkt beim richtigen Vermarkter (denn das ist ein Verlag oder Agent) den Fuß in die Tür zu bekommen. Nein, die Verachtung, die den Zuschusszahlern (Wieso eigentlich „Zuschuss“? Nennen wir es beim Namen – die Leute publizieren ihre Bücher auf eigene Kosten. Das englische Wort „Selfpublisher“ ist ehrlicher!) teilweise so verletzend entgegen schlägt rührt daher, dass sie signalisieren:

„Die Arbeit eines Schriftstellers ist so wertlos, dass er nicht erwarten kann, dass jemand ihn dafür bezahlt. Er muss selbst dafür zahlen, dass er gelesen wird.“

Und das empfinden WIR als Verachtung, und jemand, der diese Maxime lebt, ist im Geschäftsleben unser natürlicher Feind, egal, wie gut und talentiert er schreibt.

Eine gute Alternative für alle, die nicht auf Verlage warten wollen oder prinzipiell ohne Verlag arbeiten möchten bietet sich durch das Self-Publishing von E-Books. Die Meinung der verlagsgebundenen Schriftsteller  über diese Selbstverleger ist geteilt. Ich kann daran prinzipiell nichts Schlechtes finden, nicht nur, weil ich diesen Weg (vor allem aus Neugier) selbst einmal gegangen bin, als ich schon „etabliert“ war (i.e. ein Buch bei einem Verlag hatte). Im Gegensatz zu einem Selfpublisher im Printbereich setzt der Selfpublisher von E-Books kaum eigenes Geld ein, und er lässt sich seine Bücher bezahlen. Also genau wie zum Beispiel ich. Gut – er opfert eigene Zeit und investiert, aber das tun alle, die bei Verlagen sind, auch, wenn sie zum Beispiel ein Buch ohne Vorvertrag schreiben. Wenn der/die E-Book Selfpublisher(in) einen professionellen Anspruch hat, dann beschäftigt er/sie vielleicht eine(n) freie(n) Lektor(in), und freie Lektoren wollen natürlich auch bezahlt werden. Aber auch dies ist eine Investition, die man sich dann über die Preiskalkulation des E-Books wieder hereinholt. Der große Unterschied zu Print-Selfpublishern ist, dass die E-Book-Selfpublisher nicht einem Dienstleister Hunderte und Tausende Euro in den Rachen werfen, damit dieser gnädig ihr Buch verlegt. Sie investieren in die Qualität ihrer Arbeit, sie geben dem Vermarkter einen fairen Anteil jedes verkauften Buches – das ist, meiner Ansicht nach, alles seriös, nur eben ein anderer Vermarktungsweg als meiner. Das hängt aber vor allem damit zusammen dass ich, PR-Mann hin oder her, ein ganz schlechter Vertriebler bin, und sehr dankbar dafür, dass jemand (mein Verlag) mir diese ganze Nummer abnimmt und auch noch das Lektorat für mich zahlt.

Und seit Ende letzten Jahres ist es zunehmend so, dass die Leser von E-Books auf Qualität achten, nicht nur, was die Geschichte, sondern auch was Stil, Grammatik und Ortographie angeht. Das kann den guten E-Book-Autoren nur recht sein. Natürlich gibt es auch die, die einfach nicht gut schreiben können und/oder keine guten Geschichten haben und jetzt schon wieder schimpfen, weil die dummen/bösen Leser/E-Book-Vermarkter/anderen Schriftsteller sie nicht reich machen. Und manche verlagsgebundene Schriftsteller sehen den Erfolg dieses Vanillebondagebuches als Beweis für die Unseriösität dieses Marktes. Na ja, seien wir ehrlich – Mist zu Hauf gibt es auch auf Papier.

Ich habe nur eine Bitte an die E-Book Selfpublisher:

Verschenkt Eure Bücher nicht!* Beteiligt Euch nicht an 0-Euro Marketingaktionen. Bietet keine ganzen Romane für 99 cent an (einzelne Kurzgeschichten und Novellen sind etwas anderes). Konterkariert nicht Eure Arbeit und die Grundlage des ganzen Standes, dem auch Ihr angehört, in dem Ihr signalisiert: „Eigentlich ist es ja doch nichts wert.“ Gebt denen, die Eure Bücher cracken und reich werden, indem sie Eure Arbeit kostenlos verteilen, keine Argumente. Indem Ihr Eure Preise fair und ohne Selbstausbeutung kalkuliert und Eure Investitionen wieder reinholt, werdet Ihr immer noch preiswerter sein als wir, die wir Print verlegen, und dagegen ist nichts einzuwenden – Ihr habt eben eine Station weniger in der Wertschöpfungskette, dafür müssen wir uns weniger um Marketing und Vertrieb kümmern, weil das unsere Verlage machen.

Ich hänge an meinen Printbüchern, für mich ist uns bleibt der Weg über den Verlag mein Königsweg. Aber heute sind meist beide Modelle seriös. Und beide verlangen Selbstachtung.

*Also – nicht massenhaft. Presse, Familie, Recherchehelfer etc. sind etwas anderes. 😉

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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10 Antworten zu schreckenbergschreibt: Selbstachtung, bitte!

  1. Mountfright schreibt:

    Einschränkung: Auf meiner Facebookseite merkte eine Leserin an, dass im wissenschaftlichen Bereich das (Print)Selfpublishing oft unumgänglich sei. Richtig. Was ich hier schreibe bezieht sich nur auf Belletristik.

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  2. Béla Bolten schreibt:

    Wohltuend, wenn ein im Verlag veröffentlichender Autor über E-Book-Selfpublisher wie mich nicht naserümpfend, sondern sachlich nachdenkt. Das Umgang unter Kollegen könnte so entspannt sein.
    Zwei Anmerkungen allerdings:
    Es gibt über Print-on-Demand Dienstleister sehr wohl die Möglichkeit, auch ein gedrucktes Buch ohne Vorfinanzierung in den Handel zu bringen. Via Createspace zu Amazon oder über andere auch in den stationären Buchhandel. Man sollte diese Dienstleister nicht mit Druckkostenzuschussverlagen verwechseln, die dem Autor etwas vorgaukeln, das einzuhalten sie nicht einmal vorhaben und ihn zudem um vier- bis fünfstellige Eurobeträge erleichtern.

    Kurzfristige Preissenkungen, ja sogar Gratisaktionen, können im E-Book-Bereich ein probates Mittel sein, ein Buch aus dem Dunkel der fünfstelligen Rangplätze ins virtuelle Schaufenster zu holen. Übrigens: Die Verlage machen so etwas auch, etwa im Rahmen des gerade gestarteten Amazon Deals der Woche, wo E-Books zu sehr günstigen Preisen (50 % reduziert) angeboten werden. Einen Roman dauerhaft für 99 Cent oder gar gratis anzubieten ist allerdings in der Tat ein fatales Signal.

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    • B schreibt:

      ich denke auch, temporär (fast) geschenkte eBooks können gute Werbeträger sein.
      Oder Band 1 einer Reihe, so wie jetzt bei Saramee (leider der schlechteste Band der Reihe)
      Im Stern war letztens ein Artikel über eine eBook-Autorin , die hat glaube ich am Anfang Bekanntheit mit gratis aufgebaut .

      aber klar, prinzipiell hat Michael recht

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      • Mountfright schreibt:

        Vorschlag zur Güte – wie ist es, wenn man zum Beispiel die ersten 10 Kapitel oder die erste Hälfte eines Buches kostenlos stellt, quasi als sehr lange Leseprobe? Wer dann weiterlesen will, der wird doch zahlen. Und wer nicht zahlen will, wird auch sonst kein Geld für Bücher ausgeben wollen. 🙂

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    • Mountfright schreibt:

      Zum Naserümpfen besteht überhaupt kein Anlass. Aber über mich rümpfen manche Menschen aufgrund meine Genres die Nase. Manche rümpfen eben einfach gerne. 😉

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  3. Lucas schreibt:

    Ich denke, dass es immer auch relativ wichtig ist den Kontext zu betrachten. Ein Autor der es darauf abgesehen hat ein Bestseller zu werden wird sich sicherlich davor hüten bei einem Durckkostenzuschussverlag zu veröffentlichen. Ein etwas älterer Herr der ein Buch geschrieben hat und dem es wichtig ist, dieses in guter Qualität aufbereitet zu bekommen für den ist ein Dienstleister wie http://www.frieling.de vielleicht genau das richtige. Manche Menschen kümmert der eigene Ruhm durch das Buch nicht sondern sie wollen es möglichst flächendeckend für eine kleine interessierte Zielgruppe zur Verfügung stellen oder haben etwaige andere Intentionen. Solange ein solcher Dienstleister eine Summe verlangt die für die Bearbeitung des Buches gerechtfertigt ist, sehe ich auch keinerlei Gründe diese nicht zu zahlen. Bei wirklich horrenden Summen bin ich selbstverständlich ganz auf Ihrer Seite. Ich denke aber auch, dass vielen Self-Publishern schon geholfen wäre, wenn sie Einzelleistungen wie das Lektorat bei Dritten einkaufen könnten. Solche „Zuschussverlage“ wären im Prinzip in der richtigen Position um diesen Markt zu bedienen und ihren Ruf aufzupolieren.

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    • Mountfright schreibt:

      Absolut – wenn jemand für Freunde und Familie schreibt, seine Lebenserinnerung aufbewahren will etc., dann ist die Veröffentlichung eines Buches auf eigene Kosten eine gute Idee. Wobei die großen und bekannten Druckkostenzuschussverlage aber gar nicht in erster Linie auf solche Kunden zielen – die wollen die unveröffentlichten Schriftsteller, die von einem großen Publikum Träumen, weil sie denen eben auch die größere Auflage verkaufen können. Wie gesagt – ich weiß wovon ich spreche, ich bin sein zweieinhalb Jahren ein veröffentlichter Schriftsteller und war über zehn Jahre lang ein unveröffentlichter. Das vergisst man nicht so schnell.

      Dem älteren Herrn aus Ihrem Beispiel würde ich übrigens ein Gespräch mit einem Buchbinder oder Buchdrucker in seiner Nähe empfehlen. Der kann auch auf individuelle Wünsche eingehen und individuelle Preise machen. 😉

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  6. Textflash schreibt:

    Hat dies auf rebloggt.

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