Wer diesen Blog schon länger verfolgt weiß, dass ich mitunter in einem Zustand schreibe, in dem ich die Geschichte nicht erfinde, sondern in dem sie gleichsam aus mir herausfließt, über meine Hände in die Tastatur auf den Bildschirm. Ich konstruiere dann nicht mehr, sondern bin nicht viel mehr als mein Medium. Ich bin damit nicht alleine, viele Kolleginnen und Kollegen kennen diesen Zustand. Angelsächsische Autoren nennen es „Die Zone“ (ich bin nicht sicher, ob ich den Ausdruck ursprünglich von Neil Gaiman oder Stephen King kenne), ich bezeichne es gerne als „in der Geschichte sein“. Denn so fühlt es sich für mich an. Ich bin bei meinen Figuren, im Geschehen, fühle mit ihnen und notiere, was passiert, obwohl mir irgendwie schon klar ist, dass ich das Geschehen forme während ich schreibe. Aber im besten Falle doch nicht nur – die Geschichte formt sich, ich schreibe. Es dauert, auch wenn ich mit dem Schreiben fertig bin, immer noch eine Weile, bis ich aus der Geschichte/Zone wieder herauskomme, was für meine Umgebung manchmal etwas anstrengend ist.
Im Moment bin ich noch drin, weswegen ich jeden Satz dieses Blogbeitrags mehrmals anfange – es geht nicht so einfach, zu bloggen, wenn ich eben noch in einer verlassenen Tankstelle war, umgeben von einer leeren Welt, und den plötzlichen Zornesausbruch einer Figur miterleben musste, der für mich ebenso überraschend kam wie für meinen Protagonisten.
Denn davon wollte ich Euch kurz erzählen – ein Beispiel dafür, wie Schreiben in der Zone für mich funktioniert.
Die Szene war mehr oder weniger vorgeplant. Es ist kein Krimi und kein Drehbuch, deshalb plane ich einzelne Szenen wenn, dann nur sehr grob, und lasse der Geschichte ansonsten ihren Lauf, aber in diesem Rahmen war sie geplant. Das Kapitel sollte eigentlich vor allem als Übergangskapitel dienen. Im vorherigen habe ich eine Sequenz beendet, im Kommenden wird eine neue beginnen, dazwischen wollte ich eine wichtige Hintergrundinformation über eine zentrale Nebenfigur einführen und das Band zwischen ihr und meinem Protagonisten mit ein paar gemeinsamen kleinen Erlebnissen stärken. Die beiden sitzen also in dieser Tankstelle, trinken Cola und futtern Süßigkeiten und ich merke schon, dass es gut läuft, denn ich komme ganz von selbst zu dem Punkt, an dem die wichtige Information enthüllt wird. Und dann plötzlich – übernehmen meine Figuren die Regie, das Gespräch nimmt eine Wendung, die ich nie geplant hatte, die Wellen schlagen hoch, ich sitze nur staunend daneben und schreibe mit, und am Ende sind wir nicht nur um einige wichtige Infos reicher, auch die Charaktere der beiden beteiligten Figuren sind ein ganzes Stück tiefer und deutlicher geworden. Und ich staune und freue mich.
Es ist nicht so, dass ich vorher nicht gewusst hätte, wie meine Figuren sind. Nun aber VERSTEHE ich sie besser.
Diese wunderschönen Momente sind einer der wichtigsten Gründe, aus denen ich meinen Beruf liebe.
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