Übermorgen ist es soweit: Von Freitag (13.12.) an werde ich hier jeden Tag eine Leseprobe aus dem unlektorierten Rohtext meines neuen Romans „Nomaden“ verlinken, damit Euch die Wartezeit bis zum Frühjahr nicht so lang wird. 🙂
„Rohtext“ schreibe ich, und meine damit, dass das Manuskript noch nicht durch das Lektorat und Korrektorat des Verlages gegangen ist. Aber bevor ein Lektor meine Texte sieht, haben schon mindestens drei, in diesem Falle sogar sechs kritische Augenpaare darüber geschaut. Ich schreibe, wie hier schon mehrfach beschrieben, in einem Zustand, für den „Trance“ deutlich übertrieben wäre, „wachen Sinnes“ aber deutlich falsch. 😀 Daher war und bin ich stets unsicher, was die Qualität meiner Texte angeht – jede(r) Autor(in) kennt diese Unsicherheit oder sollte sie kennen.
Aber was tun? Klar – da muss jemand drauf schauen und mir die Meinung sagen, Gelungenes loben, nicht so Gelungenes kritisieren. Aber ein roher, unfertiger Text ist wie ein offener, verwundbarer Teil meiner selbst, ich BIN, was diese frischen Texte angeht, extrem verletztlich. Der große Stephen King rät dazu, die erste Fassung einer Geschichte bei, wie er es nennt, „geschlossener Tür“ zu schreiben, also ganz für sich und ohne sie irgendwem zu zeigen. Das ist bestimmt ein guter Rat – aber ich kann das nicht, höchstens bei Kurzgeschichten. Die Arbeit an einem Roman ist ein so langer, steiniger und hügeliger Weg, dass ich ihn nicht ganz alleine gehen kann, ich brauche unterwegs Rat und Feedback. Damit mich dieses Feedback aber, wenn es kritisch ist und streng, nicht verletzen kann, muss es von Menschen kommen, denen ich extrem vertraue, von denen ioh blind weiß, dass sie mir nur Gutes wollen. Es dauert sehr lange, solche Menschen zu finden. Die erste, die das durfte, war meine Frau, Claudia, und sie war schon zwei Jahre meine Freundin, bevor ich ihr zum ersten Mal eine meiner Kurzgeschichten gezeigt habe. Das war Mitte der 1990er Jahre, bis dahin habe ich, nach ersten Testleser-Pannen*, für mich alleine und ganz ohne Rückmeldung geschrieben. Die Ergebnisse waren oft entsprechend mittelmäßig. Mit der Arbeit am Finder kam der zweite ab dann regelmäßige Testleser hinzu: Mein bester Freund, der Musiker und (leider noch unveröffentlichte) Autor Stefan Mikus. 2000 lernte ich eine begnadete junge Autorin kennen, und damit war meine feste Testlesergruppe dann komplett – das wußte ich damals nur noch nicht. Es dauerte noch ein paar Jahre, bis ich Sarah Wassermair so gut kennenlernen durfte, dass sie zu meiner engsten Freundin wurde – und zu meiner Erstleserin.
Diesen Dreien habe ich und habt Ihr, wenn Ihr meine Bücher mögt, sehr viel zu verdanken, und deshalb nenne ich sie hier ausnahmsweise einmal namentlich – das haben sie sich verdient. 🙂 Aber neben der Tatsache, dass diese Drei mich so gut kennen, dass sie mich verstehen und mir so ziemlich alles sagen dürfen, auch über meine Texte, kommt wertvolle fachliche Kompetenz hinzu. Claudia ist studierte Anglistin (und die phantastische- und Kriminalliteratur ist zu einem wichtigen Teil englisch) und war viele Jahre und viele Karrierestufen lang Buchhändlerin. Stefan ist Autor und sehr guter Kenner der phantastischen Literatur. Sarah ist studierte Drehbuchautorin und lebt von diesem Beruf, sie hat einen scharfen Blick für Dramaturgie und Figurenzeichnung und darüber hinaus ein gewaltiges Talent für Prosa. Alle drei können loben, aber eben auch kritisieren, in unterschiedlichen Abstufungen, von sanft bis gnadenlos. Meistens haben sie Recht (Sarah und ich haben gerade vorgestern zwei Aspekte der Nomaden diskutiert – ich glaube, sie hat schon wieder Recht, auch wenn es mir nicht gefällt).
Für die Arbeit den Nomaden kam nun eine Besonderheit hinzu: Ich brauchte auch Testleser, die den „Finder“ nicht kennen. Denn beide Bücher sind eng verbunden – ich will aber auch, dass die Nomaden alleine funktionieren. Unter meinen langjährigen Lesern waren solche Personen aber schwer zu finden, also musste ich diesmal über meinen Schatten springen, und mich an Personen wenden, denen ich diese Aufgabe zutraue, zu denen ich aber, da wir nicht so ein enges persönliches Verhältnis haben, kein so tiefes Vertrauen haben kann wie zu meinen drei Ewigen. Das war nicht nur für mich ein Wagnis: Immerhin ließen sich diese Drei auf einen umfangreiche und zeitraubende Arbeit ein, für jemand, dessen Reaktionen insbesondere auf Kritik sie kaum einschätzen konnten – und das alles für den Lohn eines signierten Freiexemplars und einer Erwähnung in den Danksagungen. Daher auch sehr sehr viel Dank für ihre wertvolle Hilfe an diese Drei. Es sind Laura Maria Feldmar, die mir als Chemikerin schon eine wichtige Recherchehelferin bei der Arbeit an den Träumern war, Edith Dietrich, Journalistin und vertraute Mitstreiterin in vielen Drehbuchkursen (in denen wir dieses Handwerk gelernt haben) und Kim Reuter, mit der zusammen ich die Öffentlichkeitsarbeit für die Langenfeld Longhorns mache.
Tipps für Autorinnen und Autoren
WIE man genau mit den Erstleser(inne)n zusammenarbeitet ist sicher von Autor zu Autor verschieden – siehe oben: Stephen King macht das anders. Ein paar Tipps für die Erstleserauswahl möchte ich Euch aber – so Ihr schreibt und noch keine Helfer an Eurer Seite habt – mitgeben:
1.) Vertrauen ist besser.
2.) Ermutigt Eure Erstleser, klar und präzise zu sein. „Hat mir gut gefallen, so im Ganzen“ oder „Nee, war nicht so meins, diesmal“ hilft niemandem. Wenn die Menschen die Ihr liebt dazu nicht in der Lage sind (und das ist kein Werturteil – VIELE Menschen können das nicht, so klug, gebildet und liebevoll sie auch sein mögen), dann müsst Ihr sie schulen – oder andere Testleser finden.
3.) Nehmt Kritik nicht persönlich, auch wenn sie vielleicht einmal ungeschickt formuliert ist. Sie kommt, wenn Ihr die richtigen Personen ausgewählt habt, aus dem Wunsch zu helfen und Euch zu nutzen!
4.) Ermutigt zum Lob. Man kann auch aus Lob sehr viel lernen, und es tut gut, wenn die Menschen, die uns wichtig sind, uns loben. 🙂
5.) Erstleser ersetzen NICHT Recherche und Recherchehelfer. Während meine fünf Erstleserinnen und der eine Erstleser das ganze Buch gelesen haben, beschäftigt sich zum Beispiel ein Notarzt mit Annabells Einsätzen, überprüft eine Flugbegleiterin, ob ich zum Thema Flugzeuge und Flughäfen keinen Unsinn geschrieben habe und hat mir die Leiterin der Stadtbibliothek Leverkusen den besten Fluchtweg aus ihrem Haus gezeigt. Solche Dinge wissen Erstleser in der Regel nicht – so gerne sie Euch helfen.
6.) Veranstaltet, zu einem geeigneten Zeitpunkt (nicht zu früh, nicht zu spät), ein Treffen, bei dem Eure Erstleser und Ihr das Buch gemeinsam besprecht. Ich habe das diesmal zum ersten Mal gemacht, und ich kann es nur dringend empfehlen. Zwar konnten nur drei meiner Sechs dabei sein, aber trotz aller wertvollen Korrespondenz via Mail und Skype hat mich dieses gemeinsame Treffen noch einmal sehr viel weiter gebracht.
7.) Vergesst nie – die machen das für Euch. 🙂
*Kleiner Tipp an alle jungen Autorinnen und Autoren: Eure Eltern und Geschwister lieben Euch gewiss, aber das macht sie nicht automatisch zu geeigneten Testlesern! Kann sein, dass sie es sind – aber wahrscheinlicher sind sie es nicht.
sehr guter beitrag! ich bin ganz deiner meinung und hab wieder noch ein bisschen dazugelernt…
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Danke und freut mich. 🙂
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