schreckenberglebt: CRIMINALE 2014 – Wer wollen wir sein und wieviele?

Gestern habe ich Euch berichtet, wie die Vollversammlung des Syndikats auf der CRIMINALE 2014 eine richtungsweisende und, wie ich finde, sehr vielversprechende Entscheidung für künftige CRIMINALEN getroffen hat. Aber ich sprach von zwei wichtigen Weichenstellungen für die Zukunft – heute spreche ich über die Zweite. Und, um das sofort klar zu stellen: Ich spreche nicht als „Das Syndikat“ dafür haben wir gewählte Sprecherinnen und Sprecher. Ich schreibe hier als ein Mitglied, nicht mehr, nicht weniger.

Es ging um die sehr wichtige Frage: Wie halten wir es mit den E-Book Autorinnen und -Autoren?

Gemeint sind damit Kolleginnen und Kollegen, die ihre Werke ausschließlich als E-Books publizieren bzw. bisher publiziert haben. Die Diskussion, ob wir das Syndikat für solche Autorinnen und Autoren öffnen möchten, haben wir zum ersten Mal 2012 im Hochsauerlandkreis geführt – ohne Beschluss. In Bern 2013 – wo ich nicht dabei war – haben meine Mitsyndikalistinnen und-syndikalisten beschlossen, dass wir über den E-Book-Markt einfach zu wenig wussten um entscheiden zu können. Daher wurde eine Arbeitsgruppe mit Recherchen und der Vorbereitung einer Abstimmung auf der diesjährigen CRIMINALE beauftragt. Die Gruppe hat sehr genau gearbeitet und einen sehr interessanten und aufschlussreichen Bericht erarbeitet (wir sind Krimiautoren – recherchieren können wir  😉  ), auf dessen Basis wir eine Entscheidung getroffen haben. Oder sagen wir – eine Teilentscheidung, aber dazu später.

Das Syndikat nennt sich – vorsichtig – „Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur“. Vorsichtig (und klug!) ist das deshalb, weil wir damit keinerlei Vertretungsanspruch erheben. Wir sind nicht ein „Verband der deutschsprachigen Krimischriftsteller“ oder so etwas, wir sind eine Gruppe von Menschen, die Kriminalliteratur in deutscher Sprache verfassen oder verfasst haben. Niemand muss im Syndikat sein, um sich Krimiautor(in) nennen zu dürfen. Und wir müssen niemanden aufnehmen, nur weil er oder sie Krimis schreibt, die Regeln, wer Mitglied werden kann und darf bestimmen wir frei. Und bisher lautet diese Regel:

„Das SYNDIKAT nimmt Kriminalschriftsteller/innen auf, die mindestens eine selbstständige Veröffentlichung in einem kommerziellen Verlag (—> keine book on demand-Verlage, kein Eigenverlag, keine Druckkostenzuschussverlage oder Verlage bei denen Lekoratskosten, Mindestabnahmen für eine Veröffentlichung fällig werden, o.ä.) vorzuweisen haben.“

Ebenfalls aufgenommen werden unter gewissen Voraussetzungen Autorinnen und Autoren von Drehbüchern, Hörspielen und Theaterstücken sowie Unterstützerinnen und Unterstützer, diese als „Amigo/a“. Meine Eintrittskarte in das Syndikat im Jahr 2011 waren somit der Roman „Die Träumer“ und die Kurzgeschichte „Schneesturm“ aus „Mord im Dreieck„.

Wie Ihr seht, hat unsere Aufnahmeregel bisher reine E-Book Autorinnen und -Autoren ausdrücklich ausgeschlossen. Die Vermutung einiger von uns, dass das nicht mehr zeitgemäß ist, hat die Diskussion ausgelöst.

Um es gleich zu sagen: Ich war von Anfang an FÜR die Aufnahme von E-Book Autoren. Ich habe von Beginn an nicht eingesehen, warum die Frage, ob jemand ein Kriminalschriftsteller bzw. eine Kriminalschriftstellerin ist von der FORM der Veröffentlichung abhängen soll. Woran uns gelegen ist (und auch gelegen sein sollte) ist ein gewisser Anspruch an die Qualität. Und da wir nicht (zumindest nicht als Gemeinschaft 😉 ) den Dünkel haben, selbst entscheiden zu wollen wer gut genug für das Syndikat ist, haben andere Kolleginnen und Kollegen laaaaange vor meinem Eintritt den kommerziellen Verlag nach der obigen Definition gleichsam als Mindesthürde aufgestellt: Wer in der Lage ist, jemanden zu überzeugen der vom Büchervertrieb lebt, daher ein professionelles Lektorat betreibt und in das Marketing investiert, wer also an diesem Gatekeeper vorbeikommt, dessen Qualität soll auch uns genügen.

Ich muss nicht erklären, dass das nicht perfekt ist. Der „Finder“ ist, wenn ich nicht irre, von etwa 20 Verlagen abgelehnt worden, bevor Daniel Juhr ihn spontan haben wollte. Und wenn ich mir meine amazon Bewertungen so ansehe – aktuell ein Neuntel meiner Leser scheint zu meinen, dass das ein Fehler war. Damit kann ich gut leben (mit den anderen 8/9 natürlich besser 😀 ), aber wenn ich das auf die Gesamtzahl der ersten und zweiten Auflage hochrechne, dann ist das schon eine stattliche Anzahl Menschen. Haben sie recht? Oder die anderen acht Neuntel? Konnte der JUHRverlag die Qualität meines Buches besser einschätzen (denn der Finder ist, selbst rein finanziell betrachtet, ein ziemlicher Erfolg) als die anderen Verlage? Oder ging es bei deren Ablehnung womöglich gar nicht um Qualität, sondern um ganz andere Erwägungen?

Die Verlagsveröffentlichung als Kriterium für die Aufnahme hat Fehler – ist aber den beiden Alternativen „wir nehmen einfach jede und jeden“ oder „wir setzen eine Qualitätspolizei ein, die die Würdigen erwählt und die Unwürdigen abweist“ haushoch überlegen.

Oder – sie war es bisher. Denn mit den E-Books und ihren Möglichkeiten verändert sich auch der Buchmarkt. Es begann damit, dass sehr viele Autorinnen und Autoren den Weg über die Verlage einfach nicht mehr nahmen, sondern ihre Bücher selbst als E-Books publizierten. Darunter sind natürlich viele, die in tausend Jahren keinen Verlag (und auch kaum einen Leser) überzeugen werden, weil es einfach an der Qualität fehlt. Aber das sind eben nicht alle. Es gab und gibt die, die gut sind, aber bisher keinen Verlag überzeugen konnten. Und es gab und gibt die, die gar keinen Verlag überzeugen WOLLEN – weil sie keinen Zwischenhändler haben möchten, weil sie ihre Bücher mit anderen Inhalten im Netz (oder  außerhalb) kombinieren, und durch diese innovative Herangehensweise lange einfach keine Platz im traditionellen Markt fanden.

Und inzwischen gibt es eben auch reine E-Book Verlage, die mit den selben Kriterien arbeiten wie alle anderen seriösen Verlage auch – nur eben ohne Papier. Und – das erklärte uns die Arbeitsgruppe – die Verlage, die auf Papier UND als E-Book publizieren gehen zunehmend dazu über, Romane von Debutantinnen und Debutanten zunächst einmal als E-Book herauszubringen. Denn das ist nicht nur preiswerter für den Verlag sondern – zumindest im Mainstream – offenbar nach Ansicht der allermeisten Expertinnen und Experten der Markt der Zukunft. WANN das E-Book das Taschenbuch ablösen wird, darüber gehen die Meinungen teilweise jahrzehnteweit auseinander. DASS diese Ablösung aber statt finden wird, darüber ist man sich weitgehend einig.

Eine weitere Ablehnung aller reinen E-Book Autorinnen und Autoren würde also bedeuten, dass das Syndikat durch die künftige Marktentwicklung zu einem elitären (und vermutlich ziemlich alten) Clübchen würde, das sich von neuen Autorinnen und Autoren, deren Leserinnen und Lesern und mit der Zeit auch der Entwicklung in der Krimiszene abkoppelt. Es gab eine sehr engagierte Diskussion bei der ich zum Teil auch die Argumente der Gegenfraktion einleuchtend fand – wenn auch nicht überzeugend. Am Ende stimmten wir darüber ab, ob wir Autorinnen und Autoren, die nur E-Books veröffentlichen, künftig aufnehmen sollen – sofern diese Veröffentlichung bei einem nach unseren Kriterien seriösen (!) Verlag statt findet, sei es nun ein reiner E-Book Verlag, oder ein anderer. Ich stimmte dafür und war damit Teil einer deutlichen Mehrheit. Aus meiner Sicht ändert sich dadurch nicht viel: Das Syndikat wird weiterhin Krimiautorinnen und -autoren aufnehmen, die in seriösen Verlagen veröffentlichen. Die Form ist ab jetzt nicht mehr entscheidend.

Ist die Sache damit entschieden? Ich glaube nicht. Wie oben gesagt: Ich bin der festen Überzeugung, dass die E-Book-Selfpublisher sich nicht nur aus frustrierten Nichtskönnern zusammensetzen, die eben keinen Verlag finden. Es gibt Menschen, auch Kolleginnen und Kollegen, die scheinen das zu glauben. Aber ich bin davon überzeugt, dass ein nicht geringer Teil von Selfpublishern einfach keinen Verlag haben möchte. Diese Leute engagieren freie Lektorinnen und Lektoren (die am nächsten Tag womöglich für einen Verlag arbeiten) und unterwerfen sich deren Lektorat. Sie betreiben professionelles Online-Marketing – und erreichen mitunter mehr Leserinnen und Leser, als zum Beispiel ich, der vierstellige Auflagen bei einem kleinen Verlag hat. Mein Weg ist das nicht, ich bin glücklich, dass meine Agentin mir Verlage sucht und mein Verlag mir einen Lektor stellt und für mich Marketing und Vertrieb übernimmt. Aber ich bin eben auch ein schlechter Vertriebler. 😉

Und diejenigen, die wirklich neue Wege gehen und das Geschichtenerzählen mit den Mitteln des Internets radikal revolutionieren werden, finden sich wahrscheinlich auch eher unter den Selfpublishern als unter uns Verlagsautoren.

Wie sollen wir damit umgehen? Können wir in irgendeiner Form die Spreu vom Weizen trennen, ohne anmaßend zu werden? Wie sollen wir uns für diese Leute öffnen? Wollen wir das überhaupt? Und wenn ja – wollen die uns überhaupt?

Viele Fragen, und auf nicht eine davon fällt mir eine Antwort ein. Aber wir werden uns ihnen stellen müssen. Nicht heute, nicht nächstes Jahr… aber irgendwann schon. Und ich vermute: bald.

 

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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