schreckenberglebt: CRIMINALE 2014 – die Grenzen des Wachstums

Fast zwei Wochen ist es nun schon wieder her, dass ich zur CRIMINALE 2014 in Nürnberg und Fürth aufgebrochen bin. Wer meine Berichterstattung von der CRIMINALE 2012 verfolgt hat (hier, hier, hier, hier, hier und hier) und mitbekommen hat, wie wehmütig ich 2013 hinterhergetwittert habe, weil ich leider nicht dabei sein konnte, den wird nicht wundern, dass ich mich fast ein Jahr lang auf das Familientreffen des Syndikats gefreut habe – und dass ich es so sehr genossen habe, als es endlich soweit war. Zumal diesmal auch Sarah mit dabei war, und meine Agentin zum ersten Mal offiziell als Amiga. 🙂

Es gibt sehr viel zu erzählen, von Kreditkarten die koppheister gehen, Leichenfotos, Reise- und Speisetipps, dem traditionellen Untergang des ruhmreichen FC Criminale, einem Drink namens „True Detective“, und, und, und…

Warum also fange ich erst so spät damit an? Nun, die CRIMINALE ist ja nicht nur stets ein großes Lese- und Literaturfestival, sie ist auch verbunden mit der jährlichen Vollversammlung des Syndikats. Und in diesem Jahr galt es, zwei sehr wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen. Ich wollte Euch auf jeden Fall davon erzählen, aber ich bin ja nicht nur Blogger, ich bin auch Mitglied des Symdikats. Und was wir auf den Vollversammlungen besprechen ist erstmal (mit gutem Grund) intern. Also habe ich mich zunächst an das Sprecherinnen- und Sprecherteam gewandt um zu klären, welche Interna ich rausgebe und welche nicht. Das schöne ist – wir sind Autorinnen und Autoren, daher ist die Freiheit des Wortes uns allen heilig und Zensur ein Gräuel. Der Tenor der Antworten war also: „Wäre nett, wenn Du keine Zahlen preisgibst (wollte ich sowieso nicht), ansonsten: schreib einfach.“ Ich werde mich außerdem selbst beschränken, indem ich darauf verzichte, den genauen Gang der Diskussionen und einzelne Personen (außer mit Lob 😉  ) darzustellen und zu benennen. Also – heute zur ersten der beiden Weichen:

Die Grenzen des Wachstums

Das Syndikat stand mit der CRIMINALE in diesem Jahr an einem Scheideweg. Nie gab es so viele Lesungen, nie ein so großes Programm – und es gab immer noch Autorinnen und Autoren, die gerne gelesen hätten, aber keine Lesung bekommen haben, ich gehörte dazu. Allerdings hatte ich im Jahr vorher keinen Roman veröffentlicht und mein aktuellster Roman ( Sergej, erschienen 2012) ist kein Krimi. Da die CRIMINALE-Lesungen als aktuelle Werkschau der Krimiszene gedacht sind und ich – zugegeben – auch kein Promi bin, dessen Lesung für den Veranstalter aus finanziellen Gründen wichtig ist, fand ich die bedauernde Ablehnung folgerichtig und habe mich nicht darüber geärgert. Aber wie gesagt: Potential für eine NOCH größere CRIMINALE hätte es gegeben. Und Potential für ein weiteres Wachstum wäre da. Und ist das nicht sooooo wichtig, Wachstum, Wachstum, Wachstum, WACHSTUM?

Das Problem ist eben – für die CRIMINALE wie den Rest der Welt: Wachstum kostet. In diesem Falle die Veranstalterregionen, die immer höhere Summen aufwenden mussten, um Gastgeber der CRIMINALE sein zu können. Oder anders gesagt: Die CRIMINALE (wie der Rest der Menschheit) wuchs sich zu Tode. Denn es war klar abzusehen, dass die Veranstaltung in der bisherigen – oder gar noch größeren – Form keine Zukunft hatte, weil sich schlicht keine Gastgeber mehr fanden. Was also tun? Ein einfaches „Weiter so, nur kleiner“ wollte eigentlich niemand, also tat das Syndikat was man in Deutschland eben so tut: Es gründete einen Arbeitskreis, in diesem Falle unter dem Vorsitz der großartigen Kollegin (und damals noch nicht Syndikatssprecherin) Elke Pistor.

Im Laufe des Jahres haben wir Syndikatsmitglieder, die nicht in diesem Arbeitskreis waren, einiges von dessen Arbeit mitbekommen. Es gab Diskussionen über eine interne Mailingsliste, es gab Umfragen, mit denen Meinungs- und Stimmungsbilder eingeholt wurden, aber in welche Richtung es gehen würde war nicht klar. Mit entsprechend großer Spannung (und Sorge) habe ich den Bericht der Gruppe auf der Vollversammlung erwartet. Denn ich bin 2012, aus den in den damaligen Blogbeiträgen ausführlich dargelegten Gründen, ein Fan der CRIMINALE geworden. Und da ich bei der Vollversammlung schon drei Tage der CRIMINALE 2014 hinter mir hatte war klar, dass sich daran nichts ändern würde. Ich sah schon ein, dass die CRIMINALE sich ändern muss, um zu überleben. Aber eigentlich wollte ich das nicht. Als Elke sich ans Mikrofon setzte um zu berichten und vorzuschlagen hatte sie von meiner Seite also mit Skepsis zu rechnen. Wohlwollender Skepsis – aber Skepsis.

Eine Viertelstunde später war ich begeisterter Anhänger der neuen Idee. Selten haben mich Argumente, Ideen und Konzepte spontan dermaßen überzeugt und mir regelrecht  Vorfreude auf den Wandel gemacht. Wegen meines oben beschriebenen Versprechens kann ich nicht allzuviel zu dem neuen Konzept sagen, denn das hat sehr viel mit Zahlen zu tun. Nur so viel: Die CRIMINALE wird für die Veranstalter deutlich günstiger werden (die „neue“ CRIMINALE wird nur noch einen Bruchteil der alten kosten) – und gleichzeitig impliziert das Konzept, die Punkte automatisch zu verstärken und auszubauen, die mir persönlich am wichtigsten sind: Den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen und den praktischen Nutzen für mich als Schriftsteller. Dazu trägt ein vor allem ein stark ausgeweitetes Fortbildungskonzept bei, auf das ich mich jetzt schon freue. Wird es Lesungen weiterhin geben? Ja, sicher, es soll ja auch ein Krimifest, eine Veranstaltung für das Publikum bleiben. Werden es deutlich weniger sein als bisher? Ja. Muss ich also damit rechnen, dass ich nur noch in Ausnahmefällen auf der CRIMINALE lesen werde? Ja. Belastet mich das in irgendeiner Weise? Nein! Ich hatte dieses Jahr keine Lesung und trotzdem vier sehr schöne Tage und Nächte – mit dem neuen Konzept wird es noch besser werden. Ich bin wohl nicht der einzige, der so denkt, denn die Abstimmung ging mit erstaunlicher Eindeutigkeit pro neues Konzept aus.

Es gibt nur eine Veranstaltung, die ausfallen wird und der ich vielleicht nachtrauere, aber nur vielleicht. Das hängt davon ab, ob und wie der Ersatz dafür funktioniert. Fragt mich 2015 nochmal. Alles in allem, das hört man raus, denke ich, bin ich voller Vorfreude und möchte alle Krimiautorinnen und -autoren einladen, jetzt erst recht ins Syndikat zu kommen. Das wird großartig! 🙂

Auch alle anderen würde ich gerne jetzt schon zur CRIMINALE 2015 einladen, kann ich aber noch nicht machen, da der Ort noch nicht 100 prozentig fest steht. 94,7328 prozentig schon, aber das reicht nicht. Näheres verkünde ich allhier, wenn die restlichen Prozentchen dazu gekommen sind.

Und unter diesen Umständen kommt vielleicht auch ein Traum wieder in Reichweite, den ich seit 2012 im Stillen träume, für den ich mir aber langsam mal Verbündete suchen werde: eine CRIMINALE im Bergischen Land.

Morgen berichte ich Euch von der zweiten wichtigen Weichenstellung – einer Entscheidung, mit der das Syndikat seit zwei Jahren kämpft. Ein erster Teil des Kampfes ist zu Ende, eine erste Entscheidung getroffen – diesmal aber nicht ohne Kontroverse. Es geht um die Aufnahme reiner E-Book Autorinnen und -Autoren ins Syndikat. Bis morgen.

 

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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2 Antworten zu schreckenberglebt: CRIMINALE 2014 – die Grenzen des Wachstums

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