Die Sonntagsfrage: Ist Pop scheiße?

Wieder Sonntag, wieder Zeit für die Sonntagsfrage aus dem Sinnfragenkombinator, welcher da ersonnen wurde von Pia Frey. Preiset sie! Preiset sie!

So, wenn Ihr fertig seid mit dem Preisen erflehe ich zunächst mal Eure Verzeihung. Letzte Woche gab es keine Sonntagsfrage, denn just um diese Zeit vor einer Woche befand ich mich auf der Rückfahrt von der CRIMINALE 2014. Und da die in Nürnberg stattfand, ich aber in Leverkusen lebe und wir (Señora und ich) vorher noch im östlichen Ruhrgebiet vorbeischauen musste, wo die Kinder geparkt waren, war keine Zeit noch die Sonntagsfrage zu schreiben. Ich versprach Euch, statt dessen von der CRIMINALE zu berichten, was ich aber, abgesehen von diesem Beitrag (mit VERLOSUNG!!! Ich verlängere hiermit die Frist bis zum 11.06., 24 Uhr, also schaut Euch das Video an! 😉  ) habe ich das auch noch nicht getan. Das hatte allerdings einen triftigen Grund – als Mitglied des Syndikats sollte man sich, bevor man Interna ausplaudert, mit den Dons und Donnas kurzschließen, sonst macht man Bekanntschaft mit Pferdeköpfen und Betonschuhen. Ich habe mich also als Freund an Don Pedro, Donna Elke und Donna Barbara gewandt und sie taten mir einen Gefallen, so dass ich Euch nun ein paar Dinge erzählen kann. Vielleicht werden sie eines Tages – und es mag sein, dass dieser Tag niemals kommt – dafür mich um einen Gefallen bitten…

Aber dazu später – heute ist Sonntagsfragentag, und nachdem wir uns beim letzten Mal der hohen Politik widmeten, geht es nun zurück in die Gefilde der Kunst und Kultur:

140601Ist Pop scheiße?

Liebe Leute! Ich war Texter DER aufstrebenden deutschen Psychobilly-Band des beginnenden 21. Jahrhunderts, bevor die sich durch interne Querelen suizidierte (die verlinkte Facebookseite ist leider nicht mehr als eine Erinnerung an große und wilde Tage). Sollte mich die CIA eines Tages zwingen, mich für EINEN Lieblingsmusiker zu entscheiden, habe ich schneller „Nick Cave“ gesagt, als die „Waterboarding“ sagen können. Und wer in die Danksagungen an die Künstlerinnen und Künstler schaut, die meine Schreibmusik liefern… ist doch wohl klar, was ich antworte, oder?

Nein, ist natürlich nicht klar. Zunächst weiß ich nichtmal, was „Pop“ (und hier als Pars pro Toto – Popmusik) eigentlich genau ist. Aber ich habe ja Glück: Señora Produktmanager, mit der ich Kinder, Tisch, Lager und Leben teile, war ja nicht immer Produktmanagerin. Vorher war sie StellvFilLeit (groß). Davor FilLeit (mittel). FilLeit (klein) davor. Und davor schlicht Buchhändlerin. Und davor Volontärin im Buchhandel. Und davor Studentin – unter anderem der Musikwissenschaften. Und davor Schülerin (Musik LK). Das war vor laaanger Zeit, und es war auch die Zeit, in der die spätere Señora von der Bestenfreundineinerfreundinmeinerbestenfreundin zu meiner Freundin wurde, aber das ist eine andere Geschichte. Was ich damit sagen will: Soviel geballte Kompetenz in Musik und Literatur wird mir ja wohl sagen können, was Pop ist. Also hub ich an zu fragen und frug:

„Señora, Liebe meines Lebens, Sonne meines Alters, Mutter meiner stattlichen Kinderschar, sage mir nun: Wie ist die Definition der Fachleute für Pop?“

Und sie öffnete ihre bezaubernden Lippen und sprach also zu mir:

„Boah, da gibt’s Tausende für. Populär halt.“

So bestätigte mir der holde Mund was ich schon vermutet hatte. Nur zur Sicherheit, nicht etwa aus Misstrauen der Geliebten gegenüber, konsultierte ich noch den Duden, der sich wieder mal um eine Definition drückt und Wikipedia, die den Begriff „Pop“ alleine nur als Eigennamen oder Abkürzung kennt. Immerhin versucht das Online-Lexikon eine Definition von Popmusik und grenzt sie von „Populärmusik“ ab. Ich darf mal zitieren:

Während Popmusik eine Sammelbezeichnung für die ursprünglich aus dem Amerikanischen stammenden populären Musikformen des 20. Jahrhunderts darstellt, die in besonderer Weise durch Kulturmischung gekennzeichnet ist.

Wenn ich mal das 20. Jahrhundert außer acht lasse (weil ich nicht den Eindruck habe, dass die Popmusik vor 14 Jahren abgeschafft wurde), könnte man diese etwas schwammige Definition auch so zusammenfassen:

Boah, da gibt’s Tausende für. Populär halt.

Ich versuche es mal selbst: Popmusik ist Musik seit der Mitte des 20. Jahrhunderts, die sich eindeutig anderen Genrezuordnungen ebenso entzieht wie eindeutiger Zuordnung zu einer bestimmten Kultur und die über Genre- und Kulturgrenzen hinaus großen Zuspruch beim Publikum findet. Definiere „Mitte“, definiere „Genre“, definiere „Kultur“, definiere „groß“, definiere „Publikum“…. ja, ja ich weiß, es bleibt schwammig.

Und das gilt auch für alle anderen „Pop“-Kulturen, abgesehen vielleicht von der Pop-Art, die sich weniger über den Erfolg beim Publikum definiert, als über die scheinbare Trivialität der Themen. Trivialität ist allerdings etwas, was man allen anderen Arten des Pop auch unterstellt, in aller Regel als Vorwurf.

Muss ich „scheiße“ definieren? Nee, oder? Ist klein geschrieben, also ein Adjektiv – der Rest ist klar. 😀

Leute, die Pop(musik) per se scheiße finden argumentieren gerne mit der angeblichen Trivialität, der Tatsache, dass die Künstler damit Geld verdienen wollen (einen Vorwurf, mit dem ich demnächst mal meinen Bäcker oder einen Taxifahrer konfrontieren werde – ich habe den Verdacht, dass die mich auch nicht aus reiner Menschenliebe ernähren und chauffieren) und (besonders paradox) damit, dass sehr viele Menschen diese Musik, diese Bücher etc. mögen. Das blöde Argument von den Fliegen und dem Mist, das vor allem von Ingnoranten kommt, seien sie neidisch oder überheblich oder einfach dumm oder (gerne genommen) alles zusammen.

Gibt es Popmusik oder auch Popliteratur, die ich scheiße finde? Aber hallo! Das ist allerdings nur mein ganz persönlicher Geschmack und nichts Allgemeingültiges. Anders herum: Wie ist es denn mit „Where the Wild Roses grow“ von Nick Cave? Genrezuordnung? Indie, okay, das zweitschwammigste Genre nach „Pop“, also nicht eindeutig. Trivial? Nun ja – Begehren, Liebe, Wahnsinn und Tod. Viel wichtigere Themen gibt es nicht, der durchschnittliche Kulturbeutel würde sie aber sicher als Trivial einordnen. Wo ist denn da die politische Botschaft? Kulturübergreifend? Doch ja, das ist jetzt nicht unbedingt Ethno… 😀 Erfolgreich? Es ist, bis heute glaube ich, die erfolgreichste Singleauskoppelung, die Nick Cave und die Bad Seeds je hatten. Und das bei einem Konzeptalbum! Könnte man also als Pop bezeichnen, und viele Ex-Fans von Nick Cave haben ihm ja auch von diesem Punkt an „Verrat“ vorgeworfen (an wem?). Es ist nicht mein Lieblingsstück des Meisters, nicht einmal unter meinen Top 10, aber es ist schon verdammt gut und alles andere als exkrement.

Und wie steht es mit mir selbst? Der erfolgreichste Songtext, den ich je geschrieben habe, ist „Silence“ von der ersten CD der Boozehounds (was natürlich nicht nur mit dem Text zusammenhängt, sondern auch mit der großartigen Melodie, die mein Freund Stefan Mikus – Ex-Frontmann der Boozehounds – dazu komponiert hat). Einer der erhebensten Momente meines Lebens als Künster war, als ich 2004 in einer ehemaligen Fabrikhalle in Calella stand und hunderte Menschen (meist Frauen  😀 ) aus ganz Europa haben überall um mich herum laut dieses Lied mitgesungen. Ich kenne jemanden, die sich den Titel und die ersten Takte auf den Arm hat tättowieren lassen! Ist das Lied also kulturübergreifend populär? Offensichtlich. Ist es trivial? Na ja, es ist ein Liebeslied… Und Genre? Wer Psychobilly kennt weiß, dass das nur theoretisch ein sehr scharf definiertes Genre ist. Praktisch tummelt sich eine Menge unterschiedlicher Musik unter dem Label. Und gerade mit ihrer ersten CD haben die Hounds hier und da sehr viel mehr Swing als Punk oder -billy im Rocksound. Und das massenkompatibelste dieser Lieder ist eben „Silence“.

Also habe ich wohl selbst Pop geschaffen – und meine Bücher wären vielleicht auch Popliteratur, wären sie nur Bestseller. Ich werde also den Teufel tun, Pop scheiße zu finden. 😉

Ist also Pop scheiße? Nein! Das Feld ist viel zu weit, um ein Urteil zu fällen.

 

Verwendete Literatur:

(mangels eine Musiklexikons wieder nur:)

Frey, Pia: “Sinnfragen Kombinator“, Frankfurt 2013

Wermke, Dr. Matthias u.A. (Herausgeber): “Duden – Die deutsche Rechtschreibung”, Mannheim, Wien, Zürich (25) 2009

 

 

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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