Heute, liebe Freunde, eröffne ich eine neue Kategorie in diesem meinem Blog und ihr Name sei:
schreckenberglauscht
Diese Kategorie hat eindeutig gefehlt, denn immerhin füge ich jedem Roman den ich schreibe eine Auflistung der Künstler bei, deren Musik mir beim Schreiben geholfen hat (schreiben ohne Musik ist mir fast unmöglich). Und außerdem, das sei nicht vergessen, bin ich Songtexter. Ich habe mit meinen Texten nicht unwesentlich zu zwei der drei CDs einer Psychobilly Band beigetragen, der großartigen Boozehounds, und dass die sich aufgelöst haben, gerade als sie wirklich dabei waren in die Spitze der Szene vorzudringen, dafür kann ich ja nichts.
Musik ist also wichtig und ich sollte viel öfter darüber schreiben.
Die Eröffnung dieser Kategorie hat jedoch auch einen konkreten Anlass. Gestern abend besuchte ich die CD-Release Party zweier Bands: „The Gadgets“ aus Bochum und „Kosima and the Blue Cable“ aus Remscheid.
Kosima and the Blue Cable habe ich vor ein paar Wochen kennengelernt. Ich war auf Einladung des „Initiativkreises Kremenholl“ zu einer Lesung in Remscheid, gemeinsam mit Daniel Juhr und Michael Itschert. Das mag ein wenig nach Kulturbespaßung in der hintersten Provinz klingen, und rein geographisch ist das auch so falsch nicht, aber die Lesungen beim Initiativkreis machen immer so richtig Spaß – das (zahlreiche!) Publikum geht mit und ist darüber hinaus auch noch sehr kauffreudig und die Veranstalter sind engagiert und verstehen ihr Geschäft. Das habe ich durchaus auch schon anders erlebt. Aber das nur am Rande. 😉
Ich freute mich also auf eine weitere gelungene Lesung, fand nach den üblichen Kremenholl-Problemen einen Parkplatz und eilte zum Veranstaltungssaal, wo ich aus den „Träumern“ lesen wollte. Dort angekommen traf ich nicht nur meine Mitstreiter an, da saßen auch ein paar nette, etwas schüchterne Mädchen mit Instrumenten. Das sei, so sagte man mir, die Band „Kosimairgendwas“ und sie würden für den musikalischen Support sorgen. „Wie nett“, dachte ich, „die geben der örtlichen Schülerband ’ne Chance. Wird schon klappen.“
Ja Pustekuchen!
„Kosima and the Blue Cable“ so der volle Name, entpuppte sich als unbedingt hörenswerte Singerinnen-Songwriterinnen-Combo die es ohne Probleme schaffen, mit ihrer selbstgeschriebenen Musik im einen Moment an die frühen Cowboy-Junkies (ich weiß, die kennt hier niemand außer mir, das ist aber EUER Fehler, nicht meiner 😀 ) zu erinnern, um im nächsten Moment ein Publikum zu rocken, das eigentlich gekommen war, um sich Krimis vorlesen zu lassen. Ich war schwer begeistert und wurde sofort Fan. Und ich schwöre, niemals, niemals wieder die Künstlerauswahl des Initiativkreises Kremenholl zu unterschätzen.
Dieser Tage nun erfuhr ich über unser aller Facebook, dass Kosima (das ist übrigens kein menschliches Bandmitglied, sondern eine Gitarre) eine EP produziert hat und zur Release Party im Remscheider 12INCH Cub ruft. Das wollte ich mir keineswegs entgehen lassen. Gestern nun fand das Releasekonzert statt, gemeinsam mit „The Gadgets“ aus Bochum. Und ich berichte in Reihenfolge des Lineups:
The Gadgets sind Caroline von der Heydt (Keyboard, Voc), Patrick Mitze (Gitarre, Voc), Daniel Wirtz (Drums) und Sören Rehner (Bass). Sie spielen etwas, dass sie selbst als Indierock bezeichnen – das Blöde mit Indie ist leider nur, dass es eben ALLES heißen kann. Ich würde sagen, das ist Poprock, der sich in den besten und mutigsten Momenten vielversprechend in Richtung 80er Wave schleicht. Wenn „The Gadgets“ in Stimmung kommen, dann bekommt ein alter Mann wie ich sentimentale Anwandlungen, weil er den Eindruck gewinnt, dass The Cure doch nicht umsonst gelebt hat. Sie selbst mögen seit „Lullaby“ den Weg der Jammermusik eingeschlagen haben, aber einige junge Menschen haben die gute alte Zeit nicht ganz vergessen. 😉
Die Gadgets beherrschen ihre Instrumente. Das ist soooo wichtig. Das ist so verdammt wichtig, in Zeiten, da alle Welt so tut, als sei das Nebensache, Hauptsache Tremolo und Performance, den Rest macht dann das Studio. Nee, Leute, eben nicht. Wer einen Drummer wie Daniel Wirtz in Aktion gesehen hat, an dem selbst der Große Tommo Stürtz seine Freude hätte, der versteht, warum ein guter Schlagzeuger als heimlicher Anführer einer Band so ungeheuer wichtig ist. Und das Fräulein von der Heydt macht mit seinem kleinen Keyboard auch ganz große Sachen. Gitarristen haben es bei mir immer besonders schwer, da mein bester Freund nun mal leider der überaus begnadete Stefan Mikus ist, aber seien wir ehrlich – Patrick Mitze ist noch jung und jetzt schon besser als sehr, sehr viele Saitenquäler die sich Frontmänner bekannterer Bands schimpfen. Bass kann ich nie beurteilen, aber meine Begleiterin lobte ihn stark. Und die kann das beurteilen. 😀
Der Gesang war okay, aber die Band sang mit Handicap: Patrick, so berichtete Caroline, ist gerade erst von einem Husten genesen – zwischendurch verließ die Stimme ihn. Mag bestimmt am Husten liegen, aber ich glaube, ein wenig Atemübung würde auch nicht schaden. 😉 Er hat es aber auch schwer bei mir – wenn in einer Band ein Mann und eine Frau singen, tendiere ich dazu, die Frau völlig subjektiv besser zu finden. Das geht mir mit „Mad Jack and the Hatters“ so, und mit „The Hillbilly Moon Explosion“ und hier ist es nicht anders. Ich höre Caroline lieber zu, auch wenn sich die beiden gut ergänzen.
Ein ganz großes ABER habe ich allerdings: The Gadgets schreiben in ihrer Bandbeschreibung „Believe the hype!“ Ja, glaubt ihn doch bitte erstmal selbst!!! Ihr seid gut, ehrlich, hörenswerte Newcomer, und ihr seid vor allem live besser als aus der Konserve, was ein gutes Zeichen ist! Warum, verdammt nochmal, so schüchtern? Ihr müsst das Publikum nicht fragen, ob es ihm gefällt. Ihr müsst Euch nicht entschuldigen, wenn was daneben geht. IHR steht da auf der Bühne, ihr herrscht, Euch gehört der Saal. Und wenn das Publikum, so wie gestern, klatscht und pfeift und tanzt, dann habt ihr gewonnen. Glaubt es ruhig und zeigt etwas weniger Angst.
Und damit zu:
Die Band setzt sich zusammen aus Stella Klaus (Gitarre, Voc), Aileen Wiedemann (Gitarre, Voc), Karin Maar (Percussion) und Ayla Wirth (Bass), gestern vertreten durch den Gastbassisten Thomas.
Tja, was soll ich sagen – ich war sehr begeistert und muss mich schwer zusammenreißen, um nicht ins Schwärmen zu geraten. Sie begannen den Auftritt mit zwei ruhigen Nummern, sehr stimmungsvoll, sehr schön, bei denen Stella sich scheinbar einmal im Text verhaspelte und Karin plötzlich ihre Rasseln über die Bühne schoss. Aufgemerkt: Stella grinste sich eins, überspielte kurz und sang dann weiter, Karin holte sich Szenenapplaus für die Performance. So macht man das. 😉 Wenn die Musik so gut ist, dann verzeiht ein Publikum vieles bis alles. Danach verkündete Stella, der Lagerfeuer-Teil sei nun vorbei, Karin nahm am Schlagzeug Platz und die Mädels (und der Gastherr) ließen es krachen.
Ich möchte gar nicht so sehr ins Detail gehen, diese Band ist einfach wirklich gut. Ihre Instrumente beherrschen sie natürlich, der Gesang macht Freude, Stella und Aileen ergänzen sich sehr gut. Und sie wissen, wie man ein Publikum mitreißt – das hat vor allem etwas damit zu tun, dass sie sichtbar Spaß bei der Arbeit haben und wissen, was sie können. Außerdem können sie mit verschiedenen Zielgruppen umgehen: Damals in Kremenholl war es ein anderes Publikum, ein anderer Raum, andere Rahmenbedingungen, als haben Kosima and the Blue Cable da auch eine andere Facette gezeigt. Auch sowas muss man können.
Und ein ganz großes Lob vom Schriftsteller und (Ex?)-Songwriter: Gute Texte! Die konnte ich mir erst auf dem Heimweg richtig zu Gemüte führen. Da ich (selbstverständlich!) beide CDs gekauft habe, hatten wir auf dem Weg nach Hause ausreichend Muße, zuzuhören, was die Damen zu sagen haben. Schade nur, dass auf dem Cover der CD nirgends steht, wer welchen Song geschrieben hat. Wäre schön zu wissen. Kosima etc. sind live ein Erlebnis, auf der CD nicht viel weniger, aber eben abzüglich der Liveatmosphäre, also anders.
Ich war übrigens ganz froh, dass ich gestern nicht der Älteste im Saal war, ich hatte so etwas befürchtet. Das Publikum war – geschätzt – zu 60 Prozent im Alter der Musiker, 10 Prozent jünger, 30 Prozent älter. Und unter den älteren Leuten müssen auch ein paar Überzeugungstäter wie ich gewesen sein – so viele Eltern hat niemand. Und höflich ist die Jugend heute… Als sich unter dem Jungvolk vor der Bühne Pitstimmung breit zu machen begann, bin ich, wie ich das von Krawallmusikkonzerten kenne, etwas nach vorne gegangen. Das ist da inzwischen oft so – die Jugend tobt und wir älteren, breiteren Kämpen stehen drumherum, drängen allzu Ausgelassene weg und schützen die Damen und Zivilisten hinter uns. Hier allerdings waren die Umgangsformen feiner. Zwar hüpfte auch einer von den Jungspunden so arg umher, dass man ihn an seinen Platz zurück schubsen musste, aber als dann einem der Wrecker der Hut vom Kopf fiel, standen die anderen sofort still, bis er ihn gerettet und wieder aufgesetzt hatte. Toll. Wo ich herkomme macht man das maximal, wenn ein Mensch am Boden liegt. 😀
Und noch eins: Diese Bands haben Mut, und ich meine Mut im Detail. Sich auf die Bühne zu stellen und dem Publikum auszusetzen, geschenkt. Aber in Zeiten des ewig gleichen Breis Melodielinien zu schreiben, die außergewöhnlich sind und auszuprobieren, was so ein Instrument kann, anstatt einfach vorsichtshalber das zu machen, was alle machen, dazu gehört was.
Vielen Dank also an Kosima and the Blue Cable und The Gadgets für den Abend.
Die EP-CDs (jeweils 5,- €):
Kosima And The Blue Cable – Impulsive (direkt über die Band zu beziehen, nur 300 Stück!)
The Gadgets – the feeling when it’s two minutes to morning (direkt über die Band zu beziehen)
Kosima and the Blue Cable hat meine Frage nach den Texten auf fb beantwortet:
„Um die Frage zu den Texten auf der CD zu beantworten:
Homesick, Would You Wait, Impulsively und Between Hate & Insanity wurden von Stella verfasst, – Society’s Frailty von Aileen und Stella.“
Danke! 🙂
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