schreckenbergschaut: Ein Film zuviel

Ihr erinnert Euch noch an meinen Zornesausbruch über den Karnickelschlitten? Eine Rezension von „Smaugs Einöde“ habe ich mir gespart, aber über den dritten Teil der Hobbit-Trilogie „Die Schlacht der fünf Heere“ habe ich mich einfach zu sehr geärgert um zu schweigen. Also warne ich hiermit…

DER FOLGENDE TEXT  ENTHÄLT SPOILER  (aber keine, die Kennern des Buches irgendetwas verderben… oder sonstwem, dazu ist der Film zu langweilig und vorhersehbar)

 

 

 

 

 

… und schaue zuerst mal in meine Ausgabe des zugrunde liegenden Werkes: „The Hobbit“ von J.R.R. Tolkien, erschienen als Taschenbuch bei Grafton, London 1990. Die Geschichte hat 285 Seiten. Das Kapitel, in dem Smaug Esgaroth angreift, der Teil der Geschichte also, mit dem Peter Jackson den dritten Film beginnen läßt, beginnt auf Seite 233. 52 Seiten später ist Bilbo wieder zu Hause und hält Rückschau auf die Ereignisse, während er sich mit Balin und Gandalf ein Pfeifchen gönnt. Der Film ist 144 Minuten lang, also fast zweieinhalb Stunden. See the problem? Aber das ist nur eines, und nicht einmal das ärgerlichste, in:

The Hobbit: The Battle of the Five Armies (Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere)
(NZ / GB / USA 2014)
Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson, Guillermo del Toro
Regie: Peter Jackson

 

Inhalt
Der ist ohne gravierende Spoiler fast nicht zu erzählen, denn diese zweieinhalb Stunden enthalten so erschreckend wenig Inhalt und so gewaltig viel heiße Luft, dass das bisschen Substanz tatsächlich wichtig ist. Das hätte ein dichter Kurzfilm oder Einstünder werden können. Fran Walsh und Co. haben sich diesmal weitgehend an das Buch gehalten (von Azog, dem überflüssigsten aller Schänder mal abgesehen). Wo sie es nicht taten, da musste man als Tolkienkenner wieder verzweifelt in den Kinositz beißen (Legolas soll Aragorn suchen? AAAAAAAAAAHHH!!! WARUM???? Da könnte er zunächst mal bei Elrond nachfragen, da hat der Oberdunedain nähmlich seinen mehr oder weniger festen Wohnsitz.) aber gottlob waren das diesmal recht wenig Momente. Obwohl, der gottverfluchte Karnickelschlitten mit dem vogelkackebeschmierten Maiar obendrauf war wieder… ach, egal. Wo war ich? Ach ja – Inhalt:

Der Drache greift die Stadt an, Bard erschießt ihn, Thorin dreht durch, Elben mögen keine Zwerge, Zwerge mögen keine Elben, niemand mag Orks, Thorin fängt sich wieder = Schlacht der fünf Heere, tote Helden, Trauer, Abschied, Heimkehr, Ende.

Stimmt soweit. ZWEIEINHALB STUNDEN!!!

Urteil

Um aus  diesem recht dürftigen Schlußakt eines an sich schon schmalen Buches einen epischen Film zu machen gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: hinzuerfinden oder aufblasen. Das mit dem Hinzuerfinden haben sie diesmal (siehe oben) gottlob schmal gehalten, aber der Schaden war ja schon angerichtet: Azog, Tauriel, der Bürgermeister, Familie Bard… die sind numal schon da, da muss man sie auch verwenden. Oder nicht, aber dazu später. Beim dritten Teil der Saga haben die Drehbuchautorinnen und Autoren sich also darauf verlegt, die Vorlage meist nur durch mies pathetische Dia- und Monologe, unnütze Kampfszenen und die lächerlichste Wir-spielen-Shakespeare-Szene der Filmgeschichte zu verderben, was angesichts früherer Schandtaten wohltuend ist. Diesmal hatte Peter Jackson himself mal die Chance. Und wie hat er sie genutzt!

NIEMAND, wirklich niemand, der im Drehbuch anders hieß als „Volk“, „Ork“ oder „lieblos animiertes Mitglied eines beliebigen Heeres“ durfte sterben, ohne minutenlang in Großaufnahme den Löffel abzugeben. Vorzugsweise nicht alleine, damit noch mindestens eine andere Person weitere Minuten lang jammern, hadern und vor allem weinen konnte. Überhaupt, diese Großaufnahmen von Gesichtern… ich konnte die Mitesser auf Azogs Nase zählen. Muss ich nicht haben. Zumal die meisten Figuren, denen man da bei der quadratmetergroßen Mimik zusehen mußte so lieblos runtererzählt waren… aber dazu auch gleich. Womit ich nichts gegen die Schauspielerinnen und Schauspieler gesagt haben möchte – was sollen sie machen, bei so einem Drehbuch und so einer lieblosen Regie?

Wie oft hat Bard die Seinen gesammelt und mit dem Schrei „Mir nach!“ in den vermeintlich letzten Kampf geführt? Wie oft musste ich mir blödsinnigen Mist ansehen, wie den Angriff mit dem Bollerwagen oder Legolas, den kämpfenden Trapezkünstler (by the way – wie bröckelig sind diese Festungen eigentlich). Was sollte der überflüssige Ausflug nach Gundabad mit Tauriel auf dem Sozius? Sollte dieser lahme Satz über seine Mutter Legolas‘ großer Charaktermoment sein? Wo kamen die F***ING Sandwürmer her? Zu Sandwürmern serviere man mir Kyle MacLachlan, Sting und Jürgen Prochnow, sonst enthalte man sich der Sandwürmer!

Und vor allem – die eeeeeeeeeeeeeendlosen langweiligen Kampfszenen. Und eigentlich LIEBE ich Kampfszenen, ich war selbst lange Kampfsportler, ich habe auch Kendo betrieben, ich habe ein Faible für Klingen aller Art… mich mit Kampfszenen zu langweilen ist nicht einfach. Geht aber, wie ich seit Matrix 2 und 3 weiß. Das hier war Matrix 3 Niveau. Selten haben sich fünf Heere versammelt um eine derart blödsinnige, langweilige und schlecht abgefilmte Schlacht zu schlagen. Von den Einzelkämpfen, in die sie zerfiel gar nicht zu reden.

So häufte sich Minute auf Minute, auf dass das Epos voll werde. Aber wie gesagt, das war nicht das Schlimmste! Das Schlimmste war die verfluchte (ich sagte es schon) LIEBLOSIGKEIT!

Was habe ich Peter Jackson nach „Der Herr der Ringe –  Die Gefährten“ bewundert. Da spürte ich, dass jemand dieses fast unverfilmbare Werk in Angriff genommen hatte, der es genauso liebte wie ich. Die folgenden beiden Filme fand ich schwächer und das Ende schlecht, aber was sollte es – die Liebe war zu  spüren, und wenn Jacksons Liebe zu seiner drehbuchschreibenden Frau manchmal etwas größer war als die zu Tolkien und zur Logik, was sollte es. Das war ein großes Unterfangen, und es war, alles in allem, sehr gelungen.

Nichts von dieser Liebe ist hier geblieben. Jackson, Walsh und Team haben die Geschichte erst nutzlos mit Figuren beladen – und die dann einfach vom Karren gestoßen. Was wird denn jetzt aus Tauriel? Aus Bard und seinen Kindern? Aus dem fiesen Alfred, aus den Zwergen, um die es die ganze Zeit ging und die am Ende so egal waren, dass ich sie, als sie sich von Bilbo verabschiedeten, gar nicht mehr unterscheiden konnte. Wer hat nun den Arkenstein?  Was habe ich noch von Beorn erfahren, außer, dass er als Luftlandebär bei der 1. Eagles Airborne angeheuert hat? Und Bilbo selbst? War das überhaupt noch seine Geschichte, oder war er am Ende nur Ballast?

Tolkien hat, das ist das Interessante, Antworten auf viele dieser Fragen gegeben. Sie stehen am Ende des Herrn der Ringe, in den Anhängen oder den nachgelassenen Geschichten. Aber dafür hätte man sich eben interessieren müssen. Statt dessen bekommt Legolas den Auftrag, jemand zu suchen, von dem jeder halbwegs gebildete Elb wissen sollte, wer es ist und wo er wohnt. Was für eine vertane Chance. Was für eine verdammte Schande.

Oder, um es mit Tauriel zu sagen (greinend vorzutragen): „Wenn das die Liebe ist, dann will ich sie nicht.“

Zwei Filme hätten gereicht. Und Martin Freeman ist trotzdem weiter einer meiner Lieblingsschauspieler. 😀

 

 

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
Dieser Beitrag wurde unter schreckenbergschaut abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu schreckenbergschaut: Ein Film zuviel

  1. Sarah Wassermair schreibt:

    Fucking Amen. Und ich bleib dabei, dass Azog der Schänder seinen Beinamen höchstwahrscheinlich als internen Credit für die Drehbuchmitarbeit bekommen hat.

    Like

    • Mountfright schreibt:

      DAS klingt logisch. Du hattest Wein dazu, oder? Ich weiß nicht, welche Droge ich gebraucht hätte… unter Absinth hätte gar nichts geholfen, glaube ich. Pur. Kein Wasser, kein Zucker.

      Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s