Zuerst: Ein frohes, glückliches und erfolgreiches Jahr 2014 Euch allen! 🙂
Wie gestern versprochen starte ich heute eine kleine Reihe mit den 10 beliebtesten aus den ersten 100 Beiträgen in meinem Blog. Auf Platz 10 steht dieser Artikel vom 25. August 2012 (so lange ist das schon her???). Er ist immer noch so aktuell wie damals: Musik ist und bleibt unverzichtbar für mein Schreiben:
Musik zum Schreiben – schreiben zu Musik
Jetzt aber!
Nachdem ich beim letzten Mal den Beitrag zum meiner Schreibmusik angekündigt habe um dann wortreich zu erklären, warum ich ihn NICHT geschrieben habe, schreibe ich ihn jetzt.
Wann immer ich an einer oder über eine Geschichte schreibe, läuft Musik. Im Moment zum Beispiel „Sabrina“ von den Einstürzenden Neubauten, Teil der i-tunes Playlist „Sergej“, die ich mir für die letzten Arbeiten an dem gleichnamigen Roman zusammengestellt habe. Wie immer läuft die Playlist auf Random. Die Musik ist vergleichsweise laut, kein sanftes Hintergrundrauschen, ich nehme deutlich wahr, was Blixa mir da zu erzählen hat. Würde ich nicht an meinem Blog sondern an einer Geschichte arbeiten, dann würde ich dennoch bald in den Flow gleiten und den Text nur noch unterschwellig wahrnehmen, die Atmosphäre jedoch spüren und mich davon tragen lassen.
Die Musik hilft mir auf verschiedene Weisen. ((jetzt läuft: „The Glade, Part 2“ aus dem Soundtrack zu „Last of the Mohicans“ von Trevor Jones und Randy Edelman)) Zum einen dient sie der Abschirmung. Ich arbeite häufig, während meine Familie zu Hause ist, und ich kann schlecht absolute Ruhe verlangen, während der Künstler künstlert. Ich gehöre aber leider auch nicht zu den Menschen, die die Welt um sich rum ausblenden können. Also nehme ich mir eine Ausblendehilfe, wenn es gar zu unruhig ist da draußen: Knöpfe in die Ohren, Welt abschalten. Wenn ich unbedingt benötigt werde, kann man ja immer noch rein kommen und mir auf die Schulter klopfen. ((Rammstein: „Ohne Dich„)).
Das ist aber nur der vordergründigste Zweck der Musik. Ich höre sie auch, wenn ich alleine im Haus bin und auch, wenn ich mich für ein paar Tage in das Haus an der niederländischen Küste zurückgezogen habe (das nicht mir gehört, nein, wir Schriftsteller sind in der Regel NICHT reich 😀 ), in dem ich gerne und leider viel zu selten intensiv an meinen Texten arbeite. Die wichtigste Funktion der Musik ist, mich aus der Welt zu heben. ((Duran Duran: „A View to a Kill„)). Ich habe schon als Kind Musik sehr intensiv mit Bildern in meiner Phantasie verbunden und sie genutzt, um mich in meine eigenen Welten zu begeben. Musik ist ein Tor zu meinen Geschichten ((Nick Cave covering Leonard Cohen: „Suzanne„)) und in den vielen Jahren, in denen ich Erfahrung mit diesen Toren gesammelt habe, habe ich auch ein Gespür dafür entwickelt, welche Tore funktionieren und welche nicht. Dabei weiß ich gar nicht genau, warum manche Tore funktionieren und manche nicht. Egal ob ich früher eine LP oder Cassette endlos gehört habe oder mir heute eine Playlist bastele – ich finde meist das passende. ((Calexico: „Crystal Frontier„)) Es gibt Musiker, die fast immer funktionieren (ich werde Euch gleich meine Best-off vorstellen) und es gibt welche, die mal helfen und mal nicht. Moby ist so ein Beispiel. „Extreme Ways“ ist ein großes und prächtiges Tor in meine Welten – aber auch sein einziges für mich. Andere Musiker passen zu einem Werk und nicht zu mehr. Die Platters waren ((Duran Duran: „Save a Prayer„)) eine große Hilfe beim „Ruf„. Danach nie wieder. Es muss nicht mal meine Lieblingsmusik sein. Mit Duran Duran kann ich so viel gar nicht anfangen – meine Liebste war in ihrer Jugend Duranie, hat ein paar Platten mit in die Beziehung gebracht und sich mal eine best-off CD von denen gekauft. Aber zum Schreiben eignet die Musik sich hervorragend. ((The Stranglers: „Mad Hatter“)). Andererseits höre ich im Alltag sehr gerne Psychobilly und Ska. Aber es gibt nur sehr, sehr wenige Lieder, die sich da als Schreibmusik eignen – und bei einem Teil davon habe ich die Texte selbst geschrieben. 😉 ((Calexico: „Removed„)).
Wenn die Musik dann läuft, ist es vor allem die Atmosphäre, die ich wahrnehme, und die zum Teil (!) zur Atmosphäre in meinen Geschichten wird. Der Begriff „Flow“ ist vergleichsweise neu, aber ich kenne keinen besseren – „Trance“ ist zu abwesend, „Konzentration“ zu technisch. Wenn ich im Flow bin, dann fließt die Geschichte durch mich hindurch und ((Rammstein: „Wollt Ihr das Bett in Flammen sehen„)) ich bin in der Handlung, dann schreibe ich fast als Chronist. Der Flow hat noch andere seltsame Auswirkungen, so empfinde ich „echte“ Gefühle gemäß meiner Geschichte, die aber natürlich keine Entsprechung in der Realität haben – was mich, wenn ich nach dem Schreiben noch „in der Geschichte“ bin zu einem etwas dösigen, schwer berechenbaren Wesen macht. ((The Stranglers: „Souls“)).
Ich frage mich seit längerem, ob die Zusammenstellung von Playlists in diesem Zusammenhang eher ein Fluch oder ein Segen ist. Sicher – eine Vielzahl auf dem Computer gespeicherter (und – das am Rande – LEGAL erworbener) Titel gibt mir die Möglichkeit, die Tore gezielt zu wählen und gleichzeitig ((Nick Cave: „I Let Love in„)) eine gewisse Abwechslung zu haben. Besseres Feintuning, sozusagen. Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Atmosphäre dichter wird, wenn ich auf wenige Titel zurück geworfen bin, die ich mir nur bis zu einem gewissen Grad selbst aussuchen kann. Ein schönes Beispiel dafür ist „Der Finder„. Als ich begann, das Buch zu schreiben, hatte ich kurz vorher die LP (große, schwarze Scheibe mit sehr wenig Speicherplatz) „Aural Sculpture“ von den Stranglers auf einem Flohmarkt gekauft ((Nick Cave: „And no more shall we part„)). Ich hatte einen alten Plattenspieler (Abspielgerät für große, schwarze Scheiben mit sehr wenig Speicherplatz) im Arbeitszimmer – keinen CD-Player, keinen Kassettenspieler und Musik vom Computer… was sagt Euch der Begriff „486er“? 😀 Ich hörte also die Stranglers rauf und runter ((Johnny Cash: „I see a Darkness„)), und NICHTS sonst. Als ich dann nach Zeeland fuhr, um die erste Fassung des Buches zu beenden, hatte ich noch eine CD fürs Auto mit und eine Cassette, auf die ich die Stranglers aufgenommen hatte und noch ein wenig Musik zusätzlich, um das Band voll zu bekommen. Die Musik dieser drei Tonträger hat das ganze Werk sehr maßgeblich beeinflusst. ((Leonard Cohen: „Famous Blue Raincoat„)) Ich empfehle Finderfans, die Geschichte mal zu lesen, während im Hintergrund „Aural Sculpture“ läuft, dazu die ersten Stücke von „Proud like a Good“ von den Guano Apes, das Album „Skylarking“ von XTC und „Paranoid“ (nur das eine Stück) von Black Sabbath. Keine Ahnung, was das bei Euch bewirkt. Aber wenn ich etwas von dieser Musik höre, dann bin ich blitzschnell wieder im Finder, bei dem Beginn der Liebesgeschichte von Daniel und Esther, auf der winterlichen Landstraße mit Lara, in der Uni mit Daniel und dem Heuler… ((Leonard Cohen: „Hallelujah„)).
Ich bedanke mich zu Beginn jedes Romans bei den Künstlern, die mich mit ihrer Musik durch den Schreibprozess getragen haben. Außerdem setze ich gerne Musiktextzitate, die ich für das Folgende besonders passend finde, an den Beginn der Geschichte oder größerer Teilstücke. Die zitierten Stücke sind immer ein ((Nick Cave: „Red Right Hand„)) Bestandteil der Schreibmusik, sie müssen also nicht nur textlich passen, sie müssen mich auch berühren.
Ich habe mir mal die Mühe gemacht, eine Rangliste zu erstellen. Für jede Erwähnung in der Danksagung eines veröffentlichten Werkes („Sergej“ gilt dabei schon als veröffentlicht) habe ich dabei drei Punkte vergeben, für jedes Textzitat einen und für jede geplante Erwähnung in der Danksagung eines noch unfertigen bzw. unveröffentlichten Werkes ((Calexico: „All the Pretty Horses„)) zwei Punkte. Heraus kam eine Liste von 44 Musikerinnen, Musikern und Bands von 16 Horsepower bis XTC. ((Depeche Mode: „Stripped„)) Die Top 8 sind:
Leonard Cohen (28 Punkte)
Nick Cave / Bad Seeds (22 Punkte)
Calexico (19 Punkte)
Johnny Cash (10 Punkte)
Sting / The Police (9 Punkte)
16 Horsepower (8 Punkte)
The Boozehounds (8 Punkte)
The Stranglers (8 Punkte)
Diese Rangfolge ((Nick Cave: „Blue Bird“)) ist natürlich nur eine Momentaufnahme. Auch wenn ich davon ausgehe, dass es schwer wird, Leonard Cohen, Nick Cave und Calexico je von da oben zu verdrängen, so wird doch sicherlich die Bedeutung von zum Beispiel PJ Harvey, den Pogues, den Dire Straits und Bruce Springsteen ((Rammstein: „Links, 2 3 4„) wachsen. Und nicht, weil ich deren Musik gerade erst entdeckt hätte – ich höre die Pogues, Bruce Springsteen und die Dire Straits seit den 1980ern, PJ Harvey habe ich in den 90ern entdeckt. Aber ich schreibe eben erst jetzt die Geschichten, zu denen sie mir die Tore öffnen. Und ich entdecke natürlich immer wieder neue Musik, die sich zum Schreiben eignet. Die letzten großen Entdeckungen in diesem Zusammenhang waren für mich Diary of Dreams, Mad Jack and the Hatters und ((Johnny Cash: „Thirteen„)) natürlich Kosima and the Blue Cable.
Musik zu hören, die meine Kreativität und meine Träume weckt, ist etwas, das ich getan habe noch bevor ich wirklich Geschichten geschrieben habe. Die Wechselwirkung ist – trotz aller Erfahrung – immer wieder überraschend. Ich bin gespannt, was da noch kommt. ((Garou: „New Years Day“ – während ich die Tags setze 😉 ))