schreckenbergschreibt: DIE TRÄUMER

Heute der dritte und (vorerst) letzte Teil von „How I met my stories.“ Denn es ist wirklich so: Ich denke mir meine Geschichten nicht aus. Oder genauer – ich denke mir die Idee nicht aus. Die Idee ist plötzlich da, mehr oder weniger ausgefeilt. Joanne K. Rowling beschreibt diesen Moment, wenn sie erzählt, wie ihr während einer Bahnfahrt plötzlich die gesamte Harry-Potter-Geschichte in ihren Grundzügen vor Augen stand – Menschen, die selbst nicht schreiben, sind an der Stelle oft ungläubig und halten diese Beschreibung für einen Marketingtrick. Ich glaube jedes Wort. Viele meiner Geschichten nehmen so ihren Ausgangspunkt, auch „Die Träumer“, oder besser – „ Die Löwen“:

Die Vorgeschichte

„Der Ruf“ und „Der Finder“ haben – siehe gestern und vorgestern – eine lange Vorgeschichte und, im Falle des Rufes, auch tiefe Wurzeln in meiner persönlichen Geschichte und meiner Jugend. „Die Träumer“ sind aus einer raschen Verknüpfung verschiedener Ideen hervorgegangen, recht alte Ideen waren dabei und ganz neue. Und im Grunde sind sie nur eine Einleitung:

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da musste mein Verleger (schweren Herzens sagt er, und ich glaube ihm) ein Buch von mir ablehnen. „Der Finder“ war gerade ein paar Monate draußen und lief gut an, da bot ich ihm eine Horrorgeschichte an, an deren Vollendung ich seit Herbst gearbeitet hatte: „Der Ruf“. Im Verlag traf sie auf viel Beifall und Anerkennung, aber mein Verleger lehnte sie dennoch ab – sie passte nicht ins Programm. Für einen Verlag, der auf der belletristischen Seite vor allem regional gebundene Spannungsliteratur herausbringt, war dieser Roman einfach nicht regional genug. Und dagegen konnte ich wenig sagen. Klar: Die Geschichte spielt, wie üblich bei mir, in meiner engeren Umgebung, aber in der Hauptsache eben im Wald und am See. Die liegen zwar im Bergischen Land – könnten theoretisch aber überall liegen. Also zog ich meinen Plan B und brachte den Roman als E-Book. Wie aber nun weiter mit dem Verlag?

„Was ist denn mit einem Krimi?“, fragte der Verleger. „Du hast doch gesagt, Du hättest eine Krimiidee. Einen Krimi könnten wir gut im Herbst bringen, Oktober oder November.“

„Hm“, machte ich.

Er hatte Recht, ich hatte eine Idee für einen Krimi. Begonnen hatte es mit einer Figur, die in meinem Kopf erschienen war und sich angeboten hatte. Ein heruntergekommener Typ, ehemals erfolgreich, jetzt abgestiegen, dem auf einmal ein traumhaftes Angebot ins Haus schneit. Eines von der Art, die man nicht ablehnen kann, obwohl man genau weiß, dass sie einen Haken haben MÜSSEN. Kurz vor dem Gespräch mit meinem Verleger hatte ich außerdem mit einer anderen Idee gespielt, einer sehr regionalen, die mit einer konkreten Begebenheit in den 1920er Jahren in Remscheid zu tun hat (mehr kann ich nicht sagen, sonst würde ich spoilern). Und dann, eines Vormittags, während ich zum Einkaufen fuhr, verschmolzen diese beiden Ideen plötzlich in meinem Kopf zu einer, sie prallten zusammen und in einem rowlingschen Moment der Ideenexplosion entfalteten sich vor mir die Elemente eines Kriminalromans, die ich nur noch verknüpfen und in Form bringen musste. Ein echter Kuss der Muse.

Es gab nur ein Problem: Die Sache erforderte Recherche. Ich würde mich mit der Geschichte dieser Begebenheit in den 20ern beschäftigen müssen, ich würde über die wirtschaftliche Entwicklung des Bergischen Landes seither forschen müssen, gleichzeitig meine Figuren und den Plot entwickeln… Ich habe lange genug Geschichte studiert um zu wissen, dass das keine Sache sein würde, die ich in den wenigen Monaten abschließen konnte, die mir blieben, wenn das Buch im Herbst erscheinen sollte. Und ganz nebenbei bin ich ja auch noch Vater, Ehemann und freier Öffentlichkeitsarbeiter. Keine Chance.

Bevor ich aber beim Verlag anrief, um dort schweren Herzens zu verkünden, dass der Krimi frühestens im Frühjahr 2012 würde kommen können, kam nochmal meine Figur zu mir und hatte eine Idee. Bastian Mohr – damals noch namenlos – war, wie gesagt, ein heruntergekommener Typ.

„Aber wie“, so fragte er, „ist es eigentlich so weit gekommen?“

Und ich fand, er habe ein Recht darauf, dass ich diese Geschichte erzähle. Ich verknüpfte sie mit ein paar anderen Ideenfragmenten: Ein Alptraum, den ich eigentlich zu einer Horrorkurzgeschichte verarbeiten wollte. Manipulationen mit halluzinogenen Drogen. Eine fatale Liebesgeschichte. Ein deutscher IRA-Helfer. Eine PR-Agentur in Köln. Das Fantasy Filmfest, das ich so liebe. Mein Unterbewusstsein war so nett, mich just in time mit ein paar frischen Alpträumen zu versorgen (ALLE Träume in „Die Träumer“ sind nahezu echt, abzüglich der erotischen Komponente, die ist leider reine Erfindung). Da stand es: das Gerüst meines ersten Krimis.

Das Gerüst auf- und auszubauen war spannend. Bisher kannte ich zwei Arten zu schreiben – die völlig freie Art, in der die Geschichte mich zu einem Ende führt, das ich lange selbst gar nicht kenne – so entstehen meine Horrorgeschichten und so ist auch „Der Finder“ entstanden. Und andererseits die sehr handwerkliche und methodische Art, auf die Drehbücher entstehen. Der Krimi ist ein Zwischending – sehr strukturiert mit hohen Anforderungen an den logisch-dramaturgischen Aufbau, aber doch frei genug, um mich zuweilen selbst zu überraschen.

Wie gesagt: „Die Träumer“ sind im Grunde ein Prolog, die Einleitung der Krimireihe um Bastian, die nun, mit „Die Löwen“ erst eigentlich beginnt. Wenn ich heute Abend noch die Zeit finde zu schreiben, wird Bastian zum ersten Mal auf Derek Roth treffen, den englischen Captain aus dem Epilog der „Träumer“. Und Derek wird ihm ein Angebot machen. Eines von der Art, die man nicht ablehnen kann, obwohl man genau weiß, dass sie einen Haken haben MÜSSEN.

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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36 Antworten zu schreckenbergschreibt: DIE TRÄUMER

  1. dieebene schreibt:

    Reblogged this on dieebene and commented:
    hei lieber meister schreckenberg, weiß noch nicht so recht, was das reblog – ding da macht.. sorry, aber ich finde deine sachen so lesenswert, dass ich das rebloggen mal an dir ausprobiere. sicher ich hätte mich auch vorher informieren können, aber so ist es einfach lustiger. ich hoffe nicht nur für mich.
    cu.hil

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    • Mountfright schreibt:

      hi hil. da ich auch nicht genau weiss wie ein reblog funktioniert – sag doch mal, was dabei rauskam. und danke für das kompliment. :-)) greetz ms

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      • dieebene schreibt:

        hei
        also auf einmal war dein blog, den ich reblogt hab bei mir im blog. was an sich kein problem darstellt, nur bei mir passt es garnicht rein. deswegen isses jetzt wieder weg. kannst es ja mal ausprobieren… nimm ruhig meinen blog oder irgendwas anners. über bearbeiten kriegt mans dann wieder weg. ich hab die veröffentlichung einfach au 2072 geschoben. hoffe bist mir nicht bös…
        cu.hil

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