schreckenbergschreibt: Quarantänegeschichte Nr. 52 – Der Ruf, Teil 27

Heute erzähle ich Euch nur ein kurzes Kapitel aus „Der Ruf“, da ich ein paar Leser*innen davor warnen muss und nicht möchte, dass sie zu viel verpassen.


MASSIVE TRIGGERWARNUNG:

BESCHREIBUNG EINES SUIZIDS!

Wenn Ihr das nicht lesen möchtet, kommt einfach morgen wieder, Ihr bekommt dann eine triggerfreie Zusammenfassung des heutigen Kapitels zu Beginn des morgigen. Schaut noch einmal vorbei, wenn ich Sarahs heutige Geschichte reblogge, und ansonsten sehen wir uns morgen wieder. Passt auf Euch auf. ❤

Für alle anderen – so geht es weiter:

Der Ruf – Teil 1, Hintergrund, Rechte

Der Ruf – Teil 2 Der Ruf – Teil 3 Der Ruf – Teil 4 Der Ruf – Teil 5

Der Ruf – Teil 6 Der Ruf – Teil 7 Der Ruf – Teil 8 Der Ruf – Teil 9

Der Ruf – Teil 10 (mit Gewinnspiel)

Der Ruf – Teil 11 Der Ruf – Teil 12 Der Ruf – Teil 13 Der Ruf – Teil 14

Der Ruf – Teil 15 Der Ruf – Teil 16 Der Ruf – Teil 17 Der Ruf – Teil 18

Der Ruf – Teil 19 Der Ruf – Teil 20 Der Ruf – Teil 21 Der Ruf – Teil 22

Der Ruf – Teil 23 Der Ruf – Teil 24 Der Ruf – Teil 25 Der Ruf Teil 26


Der Ruf – Teil 27


Im Haus, gegen 18.30 Uhr

Sie konnte es nicht glauben.

Es war logisch, vielleicht sogar vorhersehbar gewesen.

Aber es konnte doch nicht wirklich sein.

Maike sah das Bett, den toten Körper darauf und das Blut.

Und dann schrie sie.

Stimmen, schnelle Schritte, eine Hand auf ihrer Schulter, eine Stimme, Justus.

„Was ist los? Maike was…“ Er sah und verstummte.

„Liebes!“ Bastian, laut und schrill. „Was ist passiert?“

Justus neben ihr machte ein ächzendes Geräusch.

Philip war bei ihr und Britt und sie sahen das Schlafzimmer, dessen Tür sie geöffnet hatte, um etwas Stille zu suchen. Sabine lag auf dem Bett, in dem Bastian und Maike in der Nacht zuvor miteinander geschlafen hatten. Maike erinnerte sich gut, das Gefühl, dass jeden Moment ein anderes Pärchen mit derselben Idee hineinkommen und sie entdecken konnte, hatte etwas Prickelndes gehabt, und sie waren tief in das kühle, weiße Leinen geschlüpft und hatten die Wärme ihrer Körper genossen, und es hatte etwas von der Zeit gehabt, als all das noch neu gewesen war. Wie alles in dieser Nacht.

Nun lag Sabine auf dem Bett, oben auf dem Oberbett aus kühlem Leinen, und das Oberbett war nicht mehr weiß. Ihre Arme, ihre Beine, Ihr Hals lagen in feuchten, glänzenden Blutlachen, das Blut war durch die Falten in der Bettdecke und im Laken geflossen, tiefrote Flüsse, die sich hier und dort in Senken und Druckstellen zu kleinen Seen gesammelt und von dort aus neue Wege gefunden hatten. Ihre linke Hand hing aus dem Bett, einer der roten Flüsse war an ihr entlang gelaufen, hatte sich als dünner, tropfender Rinnsal auf den Teppich ergossen und dort ein weiteres Becken gebildet. Hin und wieder fand noch ein Tropfen seinen Weg hinab auf die glänzende Oberfläche dieses Teiches. Zum großen Teil waren die Flüsse und Seen getrocknet. Neben Sabines rechter Hand klebte, halb aufgerichtet, die Rasierklinge in einem der tieferen, schlammigen Tümpel.

Philip stolperte an Maike vorbei auf die Flusslandschaft zu, drehte auf halbem Weg ab, taumelte zur Wand und erbrach sich geräuschvoll. Maike stand starr, Justus neben ihr rührte sich ebenfalls nicht, gefangen und versteinert. Britt war es, die schließlich den Bann brach. Sie humpelte zum Bett, bückte sich vor dem Fußende, nahm die gelbe Überdecke auf und ließ sie über die Flusslandschaft fallen. Maike sah, dass Britts Hals zuckte und ihre Hände zitterten bis zu den Ellenbogen hinauf, doch sie schaffte es, sie warf das Tuch über die Leiche und brach den Bann. Dann stakste sie zu Philip hinüber, der immer noch mit zuckenden Schultern an der Wand kniete.

„Komm“, sagte sie leise. „Komm mit.“

Er erhob sich, wischte sich über den Mund, spuckte aus und kam mit ihr. Während Philip die Tür ergriff, legte Britt einen Arm um Maike und Justus und drehte sie mit sanfter Gewalt um.

„Kommt.“

Hinter ihnen schloss Philip die Tür.

Sie saßen wieder um den Tisch. Bastian, der auf dem Sofa geblieben war, als er begriffen hatte, dass Maike nichts passiert war, hatte sie mit Fragen bombardiert.

„Sabine hat sich umgebracht“, hatte Justus gesagt. Markus hatte nichts gefragt, er saß auf dem Sessel und betrachtete den Boden. Maike war es, die schließlich Worte fand.

„Was sollen wir mit ihr tun?“

Britt sah auf. „Wie? Tun?“

„Na ja…“ Maike hob die Hände. „Ich meine…“

„Wir können nichts tun“, sagte Justus. „Wir müssen sie so liegen lassen. Bis wir hier raus sind. Bis Hilfe kommt.“

„Wie hat sie das denn gemacht?“, wollte Bastian wissen. „Ich meine – hat sie sich aufgehängt, oder was? Und warum haben wir nichts gehört? Was…“

„Sie hat sich die Arterien aufgeschnitten, verdammt nochmal.“ Britt sah ihn scharf an. „Mit einer Rasierklinge. Willst Du hingehen und es Dir genau ansehen?“

„Nein. Nein, entschuldigt, es ist doch nur…“ Er brach ab und sah ratlos in die Runde. „Ich wollte nicht…“

„Schon gut.“ Britt seufzte und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

Sie schwiegen.

„Wisst Ihr noch“, sagte Justus schließlich, „wie sie ‚Okay‘ gesagt hat?“

„Wie bitte?“ Philip sah ihn verständnislos an. Maike aber nickte.

„Ja. Als wir im Bad waren. Als Justus gesagt hat, wie die Insekten ihn aufhalten wollten. Da hat sie aufgegeben, glaube ich.“

„Wie auch immer.“ Justus sah in die Runde. „Ich habe noch Hoffnung. Was ist mit Euch?“

Britt und Maike nickten. Philip lachte hart.

„Ja.“

Maike sah Bastian an. „Was ist mit Dir, Schatz?“

Er sah auf und lächelte. „Wenn Du noch Hoffnung hast…“

„Die habe ich.“

Philip sah zu Markus. „Und Du? Immer noch dabei.“

Markus sah ihn an, und das Grinsen in seinem Gesicht wirkte nicht wirklich gesund. Aber seine Antwort kam entschlossen.

„Klar. Und wenn es nur wegen Tanja ist. Die kriegen mich nicht klein.“

FORTSETZUNG FOLGT

Über Mountfright

Autor und Öffentlichkeitsarbeiter, Mann und Vater, Leser und Filmfreak. Kindheit in den 1970ern, weswegen mich bis heute seltsame Musik mit Ohrwürmern plagt. Aufgewachsen in den 80er Jahren, einem Jahrzehnt, das nicht halb so grau war, wie die anderen glauben. Erste Kurzgeschichte mit 13, erster echter Romanversuch (nach pubertären Ausfällen) mit 17, die nachfolgende Schreibblockade habe ich mir mit Songtexten für die Kölner Psychobillyband "Boozehounds" vertrieben. Danach ging es wieder: Erster lesenswerter Roman mit 26, seither nicht mehr aufgehört.
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